EZB-Leitzinssenkung: Chance für den russischen Markt?

Russische Kreditnehmer können sich auf dem europäischen Markt nun Geld zu günstigeren Bedingungen leihen, während ausländische Investoren von den hohen russischen Zinsen auf ihre Darlehen profitieren.

Russische Kreditnehmer können sich auf dem europäischen Markt nun Geld zu günstigeren Bedingungen leihen, während ausländische Investoren von den hohen russischen Zinsen auf ihre Darlehen profitieren.

Reuters
In der Europäischen Union gibt es nach der Leitzinssenkung durch die Europäische Zentralbank nun Geld zum Nulltarif. Der russische Markt mit seinen hohen Zinsen könnte dadurch attraktiver für ausländische Investoren werden.

Der aktuelle Leitzins der Europäischen Zentralbank gibt Hoffnung für den russischen Markt. Die EZB senkte den Leitzins Mitte März von 0,05 auf null Prozent – und hofft, so das Wirtschaftswachstum in der Eurozone 2016 um 1,4 Prozent steigern und die Arbeitslosenquote verringern zu können. Vor allem macht diese Entscheidung aber die dynamischen Märkte der Schwellenländer für Investoren aus der Europäischen Union attraktiver.

Billige Kredite, stabiler Rubel

„Die EZB-Entscheidung wird den Märkten in den Nachbarstaaten Vorteile bringen“, ist etwa Sergej Koslowskij, Analyst bei Grand Capital, überzeugt. Er hofft, dass nun zusätzliches Kapital nach Russland fließt. Im Vergleich scheint der russische Leitzins geradezu astronomisch: Derzeit liegt er bei elf Prozent. Das bedeutet teure Kredite für Unternehmen und Privatpersonen. Die russische Sberbank berechnet für Immobilienkredite sogar 12,5 Prozent.

Russische Kreditnehmer können sich auf dem europäischen Markt nun also Geld zu günstigeren Bedingungen leihen, während ausländische Investoren von den hohen russischen Zinsen auf ihre Darlehen profitieren. „Die Leitzinssenkung macht den russischen Kreditmarkt tatsächlich attraktiver, ebenso andere Märkte mit höheren Zinsen“, bekräftigt Artjom Swjagilskij, Analyst von MFX Broker.

Die EZB wolle mit ihrer Entscheidung die Märkte unterstützen und auch die Nachfrage nach hochriskanten Anlagen ankurbeln, erläutert Bogdan Swaritsch, Analyst bei Finam. Auch das könne zu Wachstum führen. Und zu diesen Hochrisikoanlagen zähle unter anderem der russische Markt.

„Zudem werden die Maßnahmen der EZB den Ölpreis und die nationalen Währungen der Schwellenländer stabilisieren, einschließlich des Rubels“, ergänzt Dmitrij Polewoj, Chefökonom der ING Bank in Russland und GUS-Staaten, in der russischen Wirtschaftszeitung „Wedomosti“.

Politik gegen Profit

Und doch gibt es einen Haken. „Es herrscht allgemein eine negative Einstellung zu russischen Aktiva wegen der politischen Lage. Das könnte den Vorteil wieder aufheben“, räumt Analyst Sergej Koslowskij ein. Dem stimmt Artjom Swjagilskij zu: „Der Leitzins ist nicht der ausschlaggebende Punkt bei der Entscheidung, in welchem Land Europäer investieren.“ In Russland spielten gerade auch Faktoren wie Sanktionen, die Bonitätseinstufung oder der Ölpreis eine Rolle. 

Anfang März wandte sich die russische Regierung an 25 ausländische Banken mit dem Vorschlag, Eurobonds im Wert von drei Milliarden US-Dollar zu emittieren. Daraufhin forderten die USA die größten US-Banken auf, sich nicht auf die potenziell vorteilhaften Geschäfte mit russischen Staatsanleihen einzulassen. Ihre Befürchtung: Die Maßnahmen könnten die Sanktionen gegen Russland infrage stellen.

Darüber hinaus stellt auch die offenbar schwierige Lage in der Eurozone eine Barriere für Investitionen in Russland dar. Die jüngste Entscheidung der EZB zeugt von einer wesentlich düsteren Situation in der europäischen Wirtschaft als bislang vermutet. „Diese Maßnahme der EZB zeigt, dass alle bisherigen Anreize keinerlei Wirkung auf die Wirtschaft der Region hatten“, resümiert Analyst Bogdan Swaritsch.  

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