Überraschung: Wird der steigende Ölpreis zum Problem für Russland?

Steigende Preise stützen die Wirtschaft, aber hindern den Reformprozess.

Steigende Preise stützen die Wirtschaft, aber hindern den Reformprozess.

Vladimir Smirnov/TASS
Der Ölpreis erholt sich. Für den russischen Staatshaushalt bedeutet dies zunächst eine Erleichterung. Doch Wirtschaftsexperten fürchten, dass die russische Regierung nun Reformen zurückstellen könnte. Diese seien dringend notwendig, um Russlands Rohstoffabhängigkeit zu verringern.

Unruhen in Kolumbien und Nigeria, Waldbrände in Kanada, Streiks in Katar: All dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den Ölmarkt. Stanislaw Werner, Vize-Präsident der Investmentgesellschaft Finance Center, meint: „Die aktuellen Entwicklungen können dazu führen, dass bald die Nachfrage das Angebot wieder übersteigt.“

Zudem steigt der Ölpreis wieder an. 49,1 US-Dollar kostete ein Barrel der Rohölsorte Brent an den asiatischen Rohstoffbörsen Ende vergangener Woche. Damit näherte sich der Ölpreis dem Wert an, auf dessen Grundlage der russische Staatshaushalt berechnet wurde: Derzeit sind dies 50 US-Dollar pro Barrel.

Der Internationale Währungsfond IWF korrigierte vor dem Hintergrund der steigenden Ölpreise die Prognose für Russlands Wirtschaft nach oben. Er gehe nun nur noch von einem Rückgang von 1,5 Prozent statt der bisher prognostizierten 1,8 Prozent aus, berichtet die russische Wirtschaftszeitung „Kommersant“. Für das kommende Jahr rechnet der IWF mit einem Wachstum von einem Prozent. Bisher schätzte man dieses auf 0,8 Prozent. 

Reformstau droht

Mit den steigenden Ölpreisen erstarkt auch der Rubel wieder. Doch die russische Zentralbank hält konsequent dagegen und den Rubelkurs niedrig. Denn bei einem starken Rubel verbilligen sich die Importe massiv. Die Produktion in Russland und die russischen Exporteure würden unter Druck geraten.

Nach dem Rubelabsturz Ende 2014 verteuerten sich die Importe. Die Importsubstitution wurde zur Staatsraison erklärt – eine für die russischen Hersteller vorteilhafte Situation. Als sich der Rubel im März 2015 um zehn Prozent gegenüber dem Dollar und dem Euro erholte, sorgte das für Stirnrunzeln bei der russischen Notenbank. Der steigende Ölpreis bedroht die unter anderem von Zentralbankchefin Elvira Nabiullina geforderten Strukturreformen im Land. Ohne diese könne Russlands Wirtschaft selbst bei 100 US-Dollar je Barrel Rohöl nur um eineinhalb bis zwei Prozent wachsen, so Nabiullina.

Wladimir Mau, Rektor der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und öffentlichen Dienst und einer der renommiertesten russischen Wirtschaftsexperten, erklärte, bei einem niedrigen Ölpreis seien Reformen notwendig, die die Effizienz der Wirtshaft erhöhen und die Abhängigkeit von Energierohstoffen reduzieren würden. Bei steigenden Preisen der Energieträger könne die Regierung die Reformen jedoch hinauszögern.

Wie die russische Zeitung „Wedomosti“ berichtet, haben Wladimir Putins Berater dem Präsidenten bereits einen Vorschlag zur Aufschiebung der Wirtschaftsreformen vorgelegt. Federführend sei dabei der frühere Finanzminister Alexei Kudrin gewesen. Seiner Ansicht nach kämen die Reformen zu unpassender Zeit.

Für russische Bürger hat ein wiedererstarkter Rubel durchaus Vorteile. Auslandsreisen etwa würden dadurch wieder erschwinglicher. Oleg Safonow, Leiter der föderalen Tourismusagentur Rosturizm, sieht daher Griechenland als eines der bevorzugten Reiseziele der Russen in diesem Jahr. Ein stärkerer Rubel macht die Reisen in das Land der südlichen Eurozone für die Russen attraktiver.

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