Russland und die Türkei: Wiederannäherung ohne Eile

Russland öffnet seine Märkte für die Türkei nur zögerlich.

Russland öffnet seine Märkte für die Türkei nur zögerlich.

Alexander Demianchuk / TASS
Anfang August beendete ein Treffen zwischen Wladimir Putin und dem türkischen Staatschef Erdoğan die monatelange Eiszeit zwischen beiden Ländern. Doch mit einer Wiederaufnahme der Wirtschaftsbeziehungen lässt sich Russland Zeit.

Anfang August trafen sich der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan nach monatelanger Funkstille in Sankt Petersburg wieder zu Gesprächen. Doch erst drei Wochen später hob Russland ein monatelanges Flugverbot für Chartermaschinen in die Türkei auf. Die ersten Flüge starten in diesen Tagen. Dann ist die Urlaubssaison in Russland jedoch bereits zu Ende. „Traditionell ist die Hauptsaison in Russland im Juli und August“, erklärt Irina Tjurina, Pressesprecherin der Russischen Vereinigung der Tourismusindustrie, RBTH.

In diesem Sommer mussten die türkischen Hoteliers daher auf russische Gäste verzichten. Nach Meinung von Experten hat die russische Regierung sich ganz bewusst entschieden, das Flugverbot erst zum Ende der Urlaubssaison aufzuheben – der Grund: Sie will den einheimischen Touristikmarkt schützen.

Vorteile für den russischen Binnenmarkt

„Die Charterflüge erst am Ende der Saison wiederaufzunehmen, war eine kluge Entscheidung. So konnten die heimischen Urlaubsdestinationen auf der Krim und in der Region Krasnodar profitieren“, meint Janis Denis, PR-Direktor des Flugticket-Händlers Aviasales. In den wenigen verbleibenden Wochen der diesjährigen Reisesaison werde sich die Wiederaufnahme der Flüge auch kaum noch auf das Jahresergebnis der türkischen Tourismusbranche auswirken, glaubt Denis.

Nach Angaben der Russischen Vereinigung der Tourismusindustrie kosten Charterflüge 30 Prozent weniger als Linienflüge. Bis zu dem Verbot der Charterflüge im Dezember vergangenen Jahres war die Türkei das beliebteste Urlaubsziel der russischen Touristen, wie eine Statistik des Verbands der russischen Reiseveranstalter belegt.

Die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern waren im November eingefroren worden, nachdem die türkischen Luftstreitkräfte ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen hatten. Neben den Charterflügen wurde auch der Bau der geplanten Erdgaspipeline „Turkish Stream“ eingestellt und die Einfuhr von Gemüse aus der Türkei verboten.

Vor dem Importverbot 2015 kamen nach Angaben der russischen Agrarholding Technologija Teplitschnowo Rosta 29 Prozent der importierten Gurken und 44 Prozent der Tomaten aus der Türkei. Jakow Ljubowedskij, Geschäftsführer des Verbands der Biobauern in Russland, weist darauf hin, dass im Hinblick auf das Importverbot noch keine Entscheidung getroffen wurde: „Von einer Aufhebung des Einfuhrverbots für türkische Agrarprodukte kann noch nicht die Rede sein.“

Die russischen Erzeuger profitieren davon – noch. Denn Ljubowedskij geht davon aus, dass die türkischen Gemüseproduzenten ihre Marktanteile nach dem Ende des Embargos rasch wieder zurückerobern werden. Das sei vor allem von Vorteil für die eher einkommensschwachen Bevölkerungsschichten in Russland, wie Iwan Rubanow, Leiter der Analysegruppe des Agrarkomitees der russischen Regierung, bemerkt: „Diese Konsumenten sind die Hauptabnehmer türkischer Produkte.“

Verzögerung beim Pipelineprojekt

Eine Entscheidung gab es beim Treffen der beiden Staatschefs Anfang August in Sankt Petersburg dagegen zum Pipeline-Projekt „Turkish Stream“: Der Bau der Pipeline, die auf dem Grund des Schwarzen Meeres verlaufen soll, werde fortgesetzt. Doch wie schon zuvor bleibt es zunächst bei der Unterzeichnung von Absichtserklärungen. Verhandelt wird weiter über die Kapazität der Pipeline. Die Türkei will vom russischen Erdgasmonopolisten Gazprom weiterhin einen Preisnachlass in Höhe von 10,25 Prozent eingeräumt bekommen. Darauf hatte man sich schon vor der Eiszeit zwischen den Ländern geeinigt.

Die Frage des Preisnachlasses sei gegenwärtig nicht ganz so akut wie vor dem Verfall der Preise für Erdgas- und Erdöl, meint Walerij Nesterow, Analyst der Sberbank CIB. „Vor zwei Jahren zahlte die Türkei für 1 000 Kubikmeter Erdgas aus Russland noch 400 US-Dollar und 600 US-Dollar für die entsprechende Menge iranischen Erdgases. Zurzeit verkauft Gazprom den Rohstoff zum Preis von 160 US-Dollar nach Europa“, sagt Nesterow. „Deshalb kann Gazprom sein Erdgas zu einem äußerst wettbewerbsfähigen Preis anbieten“, ergänzt er.

Welche Absichten beide Parteien nun konkret verfolgen, würden die Handlungen der nächsten Monate zeigen, fährt der Sberbank-Analyst fort. „Wenn noch in diesem Jahr die Regierungsabkommen zu all diesen Fragen unterzeichnet werden, ist mit dem Projektstart Anfang nächsten Jahres zu rechnen“, schätzt Nesterow.

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