Urlaub in Russland: Mangelware Mittelklasse-Hotel

Hohe Investitionen behindern den Bau von Mittelklassehotels.

Hohe Investitionen behindern den Bau von Mittelklassehotels.

Maksim Blinov/RIA Novosti
Wer in Russland Urlaub machen will, hat bei der Suche nach einer passenden Unterkunft ein Problem – denn zwischen Hostels und Luxushotel gibt es praktisch nichts. Schuld daran sind die hohen Investitionen und eine mangelnde Unterstützung durch den Staat.

Touristen in Russland haben bei der Suche nach einer passenden Unterkunft vor allem die Qual der Wahl: Hostel oder Luxushotel – dazwischen gibt es nicht viel. Dass es schwierig ist, in Russland ein gutes Mittelklassehotel zu finden, bestätigen auch Hoteliers und Branchenkenner.

Unter dem Schlagwort „Mittelklasse“ würden Touristen veraltete sowjetische Zimmer oder Mini-Hotels mit 20 bis 40 Zimmern angeboten. Die Lage sei aber in jeder Stadt unterschiedlich, betont Wadim Prassow, Vizepräsident des russischen Hotel- und Gastronomieverbands. Manchmal würden Mini-Hotels bis zu 70 Prozent der Mittelklasse kompensieren.

Bei größeren Hotels hänge alles von der Politik der lokalen Behörden ab, beispielsweise ob sie Vergünstigungen für Investoren bieten, ergänzt Stanislaw Iwaschkewitsch von der CBRE-Gruppe für Immobilien. Moskau sei in dieser Hinsicht das schwierigste Pflaster: Potenzielle Hoteliers dürften hier weder mit einem Grundstück in guter Lage noch mit steuerlichen Vorteilen rechnen, sagt der Fachmann. Dabei könnten nur 20 der 200 Mittelklassehotels in Moskau als qualitativ gut bezeichnet werden, beklagt Iwaschkewitsch. 

Kein Herz für die Mittelklasse?

Das Problem sind die hohen Startinvestitionen, wie Wadim Prassow zu bedenken gibt: Ob Zwei-Sterne- oder Fünf-Sterne-Hotel – die Kosten für die Innenausstattung seien praktisch dieselben. Am teuersten schlügen der Bau und die Beschaffung des Geländes zu Buche: „Gemeint sind dabei die Verlegung der Netze bis hin zu den Planungs- und Projektkosten. Der Anschluss von Strom, Wasser und Heizung dauert nicht nur lange, sondern kostet auch eine Menge, da die Preise von den Monopolisten in die Höhe geschraubt werden“, sagt der Experte.

Ein Stromanschluss kostet laut Prassow für ein Hotel in den Regionen etwa 20 Millionen Rubel (rund 335 000 Euro), die Heizkosten würden etwa 80 Millionen (1,3 Millionen Euro) betragen. Diese Kosten machten bis zu 20 Prozent der Investitionen für den gesamten Hotelbau aus. „Welcher Investor baut bei solchen Preisen Zwei-Sterne-Hotels? Da ist es natürlich viel rentabler, ein Fünf-Sterne-Hotel zu bauen, das für eine Nacht das Dreifache einbringt. Luxusprojekte zahlen sich viel schneller aus“, erklärt der Experte.

Die Amortisationszeit für Hotels der Mittelklasse betrage etwa zehn Jahre, sagt Tamara Bujlowa, Vizepräsidentin der Sankt Petersburger Gesellschaft für kleine Hotels. „Das Hauptproblem ist immer die Rentabilität. Ein großes Economy-Hotel mit mehr als 50 Zimmern ist für Großstädte, wo Grundstücke sehr teuer sind, wirtschaftlich nicht rentabel“, unterstreicht Bujlowa.

Der Mangel an qualitativ guten Hotels der Mittelklasse könnte nur durch staatliche Unterstützung kompensiert werden, sagen die Experten. Denkbar seien Förderungen für den Bau, vergünstigte Kredite, einfache Bewilligungen oder günstigere Anschlüsse.

Andere Touristen, andere Kultur

Mit der Einführung der Sanktionen habe sich die Nachfrage verändert. „Im Moment finden auf dem russischen Hotelmarkt große Umwälzungen statt. Es kommen immer weniger Geschäftsreisende aus Europa, dafür steigt die Anzahl von Touristen aus China“, erklärt Stanislaw Iwaschkewitsch.

Ausländer stellen etwa 50 Prozent der Nachfrage für russische Hotels. Davon seien 30 Prozent Chinesen, der Rest komme aus anderen Ländern, unter anderem aus Europa und den USA, fügt der Immobilienexperte hinzu. Tamara Bujlowa sieht die Nachfrage auf einem stabilen Niveau, mit einem leichten jährlichen Anstieg in Sankt Petersburg. „Die meisten Touristen kommen aus Asien, wo es einfachere Visabestimmungen gibt“, bestätigt die Expertin.

Diese Veränderungen führten zu einer Neuausrichtung bei der Hotelnachfrage. Prassow zufolge bevorzugen die chinesischen Urlauber Hotels der einfachen oder gehobenen Mittelklasse. „Vor den Sanktionen kamen vor allem Geschäftsreisende aus Europa. Sie buchten Zimmer der höheren Preisklasse“, erklärt der Experte. Die Europäer seien zivilisierter gewesen, fügt der Verbandsvertreter hinzu – so zeigten aktuelle Studien, dass 70 Prozent der chinesischen Touristen Utensilien aus ihrem Hotelzimmer entwenden würden.

Darüber hinaus seien die Chinesen aber besonders an den historischen und kulturellen Orten Russlands interessiert, wie Iwaschkewitsch ergänzt. Vor allem Wladimir Lenin stehe hoch im Kurs. Außerdem kämen chinesische Touristen häufig zum Shopping nach Russland – der günstige Wechselkurs macht es möglich.

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