Iter-Projekt: Immer länger, immer teurer

Die Komplexität des Kernfusionsreaktors verzögert die Fertigstellung. Foto: AFP/East News

Die Komplexität des Kernfusionsreaktors verzögert die Fertigstellung. Foto: AFP/East News

Das größte internationale Forschungsprojekt zur Errichtung des Iter, des ersten Kernfusionsreaktors der Welt, an dem auch Russland und Deutschland beteiligt sind, liegt hinter dem Zeitplan zurück. Die Verzögerung erklären Wissenschaftler mit der Komplexität und Einmaligkeit des Projekts.

Der weltweit erste Kernfusions-Forschungsreaktor wird derzeit in dem kleinen französischen Ort Cadarache gebaut. Die Errichtung des Hauptgebäudes verzögert sich jedoch bereits um 30 Monate. Die Verspätung wird damit erklärt, dass ein solches Objekt zum ersten Mal realisiert werde und deshalb vieles im Voraus nicht abzusehen gewesen sei. Ernsthafte Verzögerung gibt es auch bei der Auswahl und Entwicklung der entsprechenden Werkstoffe.

Der Iter stellt den ersten groß angelegten Versuch dar, die Kernfusionsreaktion, so wie sie im Inneren der Sonne stattfindet, zur Gewinnung von Elektroenergie zu nutzen. An dem Projekt nehmen die Länder der Europäischen Union sowie die Schweiz, China, Indien, Japan, Südkorea, Russland und die USA teil. Die europäischen Partner tragen ungefähr 50 Prozent zur Projektfinanzierung bei, auf Russland entfallen in etwa zehn Prozent der Gesamtkosten, die in Form von Hightech-Ausrüstung eingebracht werden. Viele Reaktorsysteme werden von den Partnerstaaten gemeinschaftlich entwickelt und gefertigt. Daneben sind einzelne Länder für ganz bestimmte, besonders wichtige Projektabschnitte verantwortlich.

Als die Baumaßnahmen begannen, gingen die Wissenschaftler davon aus, dass 2019 das erste Plasma im Reaktor gewonnen werden könne. „Auf der Tagung des Iter-Councils, dem Aufsichtsgremium des Projekts, stellte sich allerdings heraus, dass es zu Verzögerungen kommen wird. Der Zeitplan, den der Generaldirektor im März oder April 2015 vorstellen wird, wurde überarbeitet", erklärte Wljatscheslaw Perschukow, stellvertretender Rosatom-Generaldirektor, gegenüber RBTH.

Die Kosten für das Projekt steigen derweil immer weiter in die Höhe. Gegenwärtig wird das Finanzierungsvolumen auf 15 Milliarden Euro geschätzt. Ursprünglich ging man von fünf Milliarden Euro aus. „Die aktuelle Verzögerung der Inbetriebnahme des Reaktors kann die Kosten sogar auf weitere 40 Prozent steigern", glaubt der unabhängige Atomenergie-Experte Alexander Uwarow.

Bis Ende Sommer 2014 wurden in der Iter-Anlage bereits zwei Projektetappen realisiert: Die Bauarbeiter haben das Fundament fertiggestellt und auf der Baustelle wurden die ersten speziell angefertigten Technikmodule aufgestellt. Ein wesentlicher Teil dieser Ausrüstung wird in Russland gefertigt, darunter 40 Prozent der ersten Reaktorwand, neun Diagnosesysteme und andere Sonderanfertigungen. „2015 werden die Arbeiten zur Errichtung der ersten Bestandteile des Sicherheitssystems des Reaktors aufgenommen. Die Arbeiten zur Fertigung des Hauptblocks des Systems zum Erhitzen des Plasmas im Kernfusionsreaktor werden praktisch zu 80 Prozent ausgeführt. Zudem wird mit dem Bau der Komponenten für die erste Reaktorwand begonnen", sagte der Leiter des russischen Iter-Projektbüros, Anatolij Krasilnikow.

Der Großteil der russischen Ausrüstung soll laut Zeitplan Ende 2016 zur Reaktorbaustelle transportiert werden. Jedoch kommen dabei nicht alle

Partner ihren Verpflichtungen nach. „Die Europäische Union und Indien, die ebenso ein Gerät zum Erhitzen des Plasmas entwickeln sollten, konnten ihre Aufgabe nicht erfüllen. Sie werden die Gerätetechnik offensichtlich aus Russland beziehen", merkte Anatolij Krasilnikow an.

Deutschlands Beitrag zu dem Projekt ist nicht nur finanzieller, sondern auch wissenschaftlicher Art: 2014 hat in Greifswald die Arbeit am Kernfusions-Forschungsreaktor Wendelstein 7-X begonnen. Dieser arbeitet nach dem Stellarator-Prinzip und wurde vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching bei München, einem der weltweit größten Plasmaforschungszentren, entwickelt und gebaut.

Das IPP beschäftigt sich auch mit der Entwicklung eines Diagnose- und Kontrollsystems für den Iter. Die Wissenschaftler konstruieren einen Apparat zur Ermittlung der Gesamtleistung der Plasma generierenden Wellen und des Drucks des neutralen Gases für mehrere entscheidende Punkte des Kernfusionsreaktors. Die Arbeiten daran werden entsprechend dem Zeitplan ausgeführt und man ist sich sicher, dass sowohl Russland als auch Deutschland, die beide für das Diagnosesystem verantwortlich sind, ihre Verpflichtungen fristgerecht erfüllen werden.

 

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