Die Moskauer Lomonossow-Universität plant ein neues Wissenschafts- und Forschungscluster. Foto: Lori/Legion Media
Die Moskauer Lomonossow-Universität (MGU), eine der ältesten Hochschulen Russlands, will zum russischen Silicon Valley werden. Unweit des bestehenden Universitätskomplexes sollen auf 430 000 Quadratmetern Bauten entstehen, die zukünftig ein Wissenschafts- und Forschungscluster beherbergen sollen. Der Ort hat Symbolkraft: Er ist eine der höchsten Erhebungen im Stadtgebiet. Geplant sind Kooperationen mit Unternehmen aus dem Hochtechnologiebereich, erklärte Wiktor Sadownitschi, Rektor der MGU. Grundlagenforschung sei die vordergründige Aufgabe der neuen Laboratorien, sagt Sadownitschi und fügt hinzu: „In erster Linie geht es dabei um Forschung für die Erdöl- und Erdgasindustrie, aber auch in der Informatik, im medizinisch-biologischen und für den sozialen Bereich soll geforscht werden."
Bereits 2010 entstand das Innovationszentrum Skolkowo, einige hundert Kilometer westlich der Hauptstadt. Die Einrichtung eines weiteren Clusters für wissenschaftliche Forschung ist für Experten ein Hinweis auf eine steigende Nachfrage nach eigenen wissenschaftlichen Entwicklungen in Russland. Diese Entwicklung schreite jedoch nur langsam voran.
„Ein aussichtsreicher Markt für den Binnenabsatz innovativer Produkte ist der staatliche Sektor, das heißt, staatliche Beschaffungsmaßnahmen, Ausschreibungen im Infrastrukturbereich und von Unternehmen mit staatlicher Beteiligung. Darauf entfällt fast ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts des Landes, etwa 217,5 Milliarden Euro", weiß Sergej Fachretdinow, Präsidiumsmitglied des Generalrats der Gesamtrussischen Unternehmervereinigung Delovaya Rossiya, zu berichten.
Er gibt jedoch zu bedenken, dass das System der staatlichen Beschaffungsmaßnahmen lediglich auf die Interessen der Großindustrie abziele. Kleine und mittelständische Unternehmen im Hochtechnologiebereich blieben dabei außen vor. Erst kürzlich begann die russische Regierung, daran etwas zu ändern. Anfang Dezember 2014 erteilte sie die Auflage, dass mindestens 18 Prozent aller Beschaffungsaufträge von infrastrukturellen Monopolisten und Staatsbetrieben an kleine und mittlere Betriebe gehen sollen. „Es gibt etwa 60 Großbetriebe, denen die Regierung diese Auflage erteilt hat. Umgesetzt haben dies jedoch lediglich zehn von ihnen", sagt Fachretdinow.
Experten sind der Meinung, dass die Rohstoffabhängigkeit der russischen Wirtschaft nicht förderlich für eine Entwicklung von Innovationen sei; ungeachtet der steigenden Nachfrage nach neuen Technologien. „Traditionelle Triebkraft für Innovationen ist bei uns der militärisch-industrielle Komplex. Der war aber lange auf Eis gelegt worden und beginnt
erst seit kurzem, sich wieder zu entwickeln", so Anton Tabach, Chefökonom der Rating-Agentur Rus-Rating.
„Enorme Mittel sind in die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bereich der Verteidigung gesteckt worden. Auf die Entwicklung der russischen Wirtschaft insgesamt hat diese Branche jedoch nur einen äußerst begrenzten Einfluss", meint Moissej Furstchik, geschäftsführender Partner des Unternehmens Foc. Er nennt das MGU-Projekt zwar zeitgemäß und sieht Perspektiven für die Zukunft, rechnet jedoch nicht damit, dass das Projekt eine ähnliche staatliche Förderung wie Skolkowo bekommen wird.
Tabach ist der Ansicht, dass sich beide, Skolkowo und das geplante Forschungscluster der MGU auf dem Markt werden behaupten können, da sie sich signifikant unterschieden. Aber die Konkurrenz wächst. Der Ökonom kennt eine Reihe weiterer Projekte, die sich derzeit um Unterstützung durch den Staat oder private Ressourcen bemühten, darunter die Wissenschaftlerstadt Akademgorodok bei Nowosibirsk, Wissenschaftszentren im Moskauer Umland sowie zahlreiche Universitäten im ganzen Land.
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