Im Rahmen des Projekts „Luna 2015“ verbrachten sechs Wissenschaftlerinnen des Moskauer Instituts für medizinisch-biologische Probleme (IMBP) der Russischen Akademie der Wissenschaften neun Tage und neun Nächte in einem hermetisch isolierten Komplex. Die Ausstattung der Kapsel und die Dauer des Aufenthalts sollten den Bedingungen eines Fluges zum Mond so exakt wie möglich ähneln. Die Eintragungen der Teilnehmerinnen in das Protokoll wurden auf der Facebook-Seite des Projekts veröffentlicht.
Die Frauen schreiben über die Experimente und über ihre Schwierigkeiten, sich an das Leben in der Kapsel zu gewöhnen. Sie klagen über die hohen und engen Betten, die ungewohnte und ausschließlich in der Mikrowelle erwärmte Nahrung sowie über Probleme mit der Hygiene, für die außer Servietten und Waschbecken nichts zur Verfügung steht. Auch über den mit Ausnahme der Funkmitteilungen an die Besatzung fehlenden Kontakt zur Außenwelt beschweren sich die Teilnehmerinnen.
„Mir fiel die Trennung von meinen Freunden und meiner Familie am schwersten. Nicht zu wissen, wo sie sind, was sie gerade tun und was ihnen passiert, ist sehr hart“, bekannte Projektteilnehmerin Anna Kussmaul.
„Anfangs habe ich schlecht geschlafen. Eine Kapsel ist sehr hellhörig“, erzählt Darja Komissarowa. „Wenn in der ersten Kajüte jemand etwas auf einem Notebook tippt, hört man das in der sechsten Kajüte immer noch. Außerdem habe ich lange Haare, die ich mit Servietten trocknen musste. Das war eine echte Herausforderung und hat mich sehr viel Zeit gekostet.“
Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten bereiteten auch die Experimente selbst. Zur Erfassung physiologischer Kennziffern mussten die Probandinnen Elektroden am Körper befestigen und diese bis zu 24 Stunden lang tragen. Hautreizungen waren die Folge.
An Bord kam es zudem zu zwei unvorhersehbaren Situationen: Zuerst mussten die Frauen einem von einer Puppe verkörperten Besatzungsmitglied erste Hilfe leisten, das einen Stromschlag erlitten hatte. Zu diesem Zweck wurde eine telemedizinische Echtzeitverbindung zu Ärzten eines Moskauer Krankenhauses aufgebaut, die den Prozess anleiteten.
Zudem wurde der Crew kurz vor dem offiziellen Ende des Projekts mitgeteilt, dass sich die „Landung“ aufgrund eines Sturms am Kosmodrom Wostotschny um 24 Stunden verzögere. Die Reaktion darauf fiel zwiespältig aus: „Einerseits hatten wir schon selbst mehrfach davon gesprochen, dass wir wohl einen zusätzlichen Tag brauchen. Schließlich beinhaltete das ganze Programm so viele komplizierte Vorgänge, dass uns die Zeit für eine geordnete Rückkehr gar nicht reichte – wir mussten die Geräte deinstallieren, Berichte verfassen, Kommentare zu den Anweisungen schreiben, das Konzept für den Ausstieg und die auf den Flug folgenden Untersuchungen diskutieren“, erklärt Kapitänin Jelena Lutschizkaja. „Andererseits waren wir alle schon eingestellt auf das Wiedersehen mit unseren Familien. Wir freuten uns darauf, am nächsten Tag zu Hause zu sein, zu duschen und auszuschlafen.“
Anna Kussmaul erzählt, wie sie das Verhältnis zu ihren Team wahrgenommen hat: „Wenn du deine Wahrnehmungen und Gefühle mitteilen kannst, wenn du weißt, dass jemand anderer das Gleiche fühlt und denkt, sind schwierige Momente wesentlich leichter zu ertragen. Unsere Crew hat das gut hinbekommen.“
Im Rahmen des Projekts erforschten russische Wissenschaftler die Anpassung des menschlichen Organismus an Bedingungen eines hermetischen Objekts, sie testeten technische Einrichtungen der ISS und untersuchten die Psychologie und Physiologie des weiblichen Organismus unter den Bedingungen von Raumflügen über weite Distanzen.
Es wurden insgesamt rund 30 Experimente durchgeführt, deren Ergebnisse im Laufe der kommenden Monate von Mitarbeitern des IMBP ausgewertet werden sollen. Von besonderem wissenschaftlichem Interesse ist eine umfassende Analyse von Daten, die darüber Aufschluss geben sollen, wie das Atem-, das Herz-Kreislauf- und das Immunsystem, aber auch andere körpereigene Prozesse, auf die Isolationsbedingungen reagieren.
Die Forscher wollen die gewonnenen Daten zudem mit Datensätzen vergleichen, die aus früheren Experimenten mit männlichen Besatzungen stammen. Das Projekt soll die Basis für eine ganze Reihe von Isolationsexperimenten unterschiedlicher Dauer sein.
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