Als die UdSSR die Arktis auftauen wollte

V. Yakovlev / RIA Novosti
Blühende Landschaften in der Arktis statt Eis und Schnee so weit das Auge reicht? Diese Fantasien hatten im letzten Jahrhundert einige sowjetische Wissenschaftler. Sie wollten das ewige Eis zum Schmelzen bringen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die Sowjetunion mit der aktiven Erforschung der Arktis und des Polarmeeres begann, machten sich sowjetische Wissenschaftler auch Gedanken um das Klima der Nordpolregion. Sie entwickelten mehrere Projekte, die die harten klimatischen Bedingungen verbessern sollten – mit teils radikalen Lösungsvorschlägen: einem Auftauen des Packeises.

Einer der ersten, der davon träumte, war Jewgeni Gernet, Offizier a.D. der Zarenarmee. 1930 veröffentlichte er in Japan seine Theorie, dass das arktische Packeis unbeständig sei und im Nordosten Eurasiens ein mildes Klima entstehen würde, wenn man es auftaue. Er verwies darauf, dass ein vergleichbares Klima in dieser Region im frühen Miozän geherrscht hätte. An den Küsten Skandinaviens hätten einst Zypressen und Magnolien gestanden.

Der Geograf Pjotr Borissow machte in den 1950er-Jahren den Vorschlag, warmes Wasser aus dem Golfstrom ins Polarmeer umzuleiten. Dazu sollte in der Beringstraße ein Damm errichtet werden. Durch Pumpen und Schleusen sollte das kalte Wasser des Arktischen Ozeans mit dem warmen Wasser des Pazifiks ausgetauscht werden. Davon versprach sich Borissow blühende Landschaften in Sibirien: „Wir werden die Oberfläche unseres Planeten nördlich des Äquators nicht wiedererkennen.“

Klimaveränderung hatte auch der Wissenschaftler Michail Budyko im Sinn. Er wollte Rußpartikel in die arktische Atmosphäre einbringen und so die Sonneneinstrahlung beeinflussen. Auf Budykos Forschungen basieren viele Erkenntnisse zum sogenannten Treibhauseffekt. 

Kostspielig und ineffizient

Igor Aschik, Leiter der Abteilung für Ozeanforschung des Arktis- und Antarktis-Forschungsinstituts NII Rosgidromet in Sankt Petersburg, berichtet, dass einige dieser skurril anmutenden Vorschläge durchaus auf ihre Realisierbarkeit hin überprüft worden seien. „In den 1950er-Jahren gab es tatsächlich Forschungsexperimente zur Eisschmelzung. Die Versuche waren klein angelegt und wurden schnell wieder eingestellt, denn sie erwiesen sich als ineffizient und zu kostspielig.“

Einige der Pläne waren von vornherein zum Scheitern verurteilt, etwa die Idee des estnischen Ingenieurs Jewgeni Pastor. Der wollte in den 1960er-Jahren Schiffe einsetzen, die die Eisdecke des Polarmeers Richtung Süden schleppen sollten. Pastors Pläne waren recht konkret: „Wenn wir im Polarmeer 20 bis 25 massive Schiffe zentral aufstellen und die Hälfte davon in Richtung des Atlantischen und die andere Hälfte in Richtung des Pazifischen Ozeans wenden, dann können diese Schiffe sich in das Eis einstampfen und die Eisdecke im Laufe eines halben Jahres aus dem Polarmeer in Richtung der beiden Ozeane hinaustreiben“, war Pastor überzeugt.

Das Auftauen der Polareisdecke war ein Thema, mit dem sich auch – mangels Interesse – weniger der Staat als vor allem einzelne Wissenschaftler in privater Initiative auseinandersetzten. Vielleicht blieb es auch deshalb nur bei Vorschlägen.

Dieser Artikel basiert teilweise auf Informationen aus der Zeitschrift „Populjarnaja Mechanika“.

Wie sähe die Erde heute aus, wären die Ideen der Wissenschaftler erfolgreich gewesen?

Alexej Kokorin, Leiter des Programms „Klima und Energie“ des WWF: „Bei der Umsetzung solcher Ideen muss das komplizierte Zusammenwirken von Atmosphäre und Ozean berücksichtigt werden. Viele Details und wechselseitige Verbindungen sind dabei zu beachten. Der Treibhauseffekt beeinflusst sehr stark auch die Ozeane, die bis zu 90 Prozent der Klimaenergie der Erde ausmachen. Die damaligen Klimaexperimente hätten darauf möglicherweise einen negativen Einfluss gehabt. Grundsätzlich ist es besser, die Natur sich selbst zu überlassen.“

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