Russische Wissenschaft sagt Homöopathie den Kampf an

Mehr als 30 Forscher und Ärzte sprechen von einer „Pseudowissenschaft“.

Mehr als 30 Forscher und Ärzte sprechen von einer „Pseudowissenschaft“.

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Die Kommission zur Bekämpfung der Pseudowissenschaften an der Russischen Akademie der Wissenschaften verkündete ihr Urteil: Homöopathie verfüge über keinerlei wissenschaftliche Grundlage und sei unwirksam. Ob die Einschätzung der Kommission zu einem Verbot der alternativen Heilmethode führt, ist unklar.

„Die wissenschaftliche Gemeinschaft sieht die Homöopathie als eine Pseudowissenschaft”, steht im am 6. Februar veröffentlichen Memorandum der Kommission zur Bekämpfung der Pseudowissenschaften an der Russischen Akademie der Wissenschaften. Die Heilmethode widerspreche den grundlegenden Zielen des russischen Gesundheitswesens und solle vom Staat bekämpft werden. Eine eigene Studie führte die Kommission dabei allerdings nicht durch. Vielmehr basiert das Dokument auf zahlreichen bereits existierenden wissenschaftlichen Arbeiten über Homöopathie. Das Memorandum wurde von mehr als 30 Wissenschaftlern und Ärzten unterzeichnet.  

Die Verfasser des Dokumentes sind sicher: Homöopathie existiert mehr als 200 Jahre und hat sich bisher nicht als eine effektive Heilmethode etablieren können. „Man versuchte oftmals, eine fundierte wissenschaftliche Grundlage für die alternative Medizin zu schaffen. Alle diese Versuche blieben aber ohne Erfolg”. Die Wissenschaftler baten das Gesundheitsministerium, homöopathische Medikamente in Kliniken nicht einzusetzen und beim Verkauf in Apotheken extra darauf zu verweisen, dass die Wirksamkeit klinisch nicht nachgewiesen wurde.  

 „Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden“

Die Homöopathie wurde Ende des 18. Jahrhunderts von dem deutschen Arzt Samuel Hahnemann entwickelt. Hahnemanns Grundannahme besagte, dass jene Substanz, die eine Krankheit verursache, im verdünnten Zustand eben diese Krankheit wieder heilen könne. So formulierte Hahnemann das Behandlungsprinzip: „Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden“.   

Auf dieser Annahme basiert die Homöopathie. Zur Herstellung eines homöopathischen Arzneimittels werden die Grundsubstanzen stark verdünnt, so dass ihre Konzentration sehr niedrig wird. Befürworter der Homöopathie behaupten: Die verdünnte Substanz bleibt wirksam. Gegner meinen, die Homöopathie sei ineffektiv. 

“Das Wichtigste ist: Man darf ernste Krankheiten nicht mit Homöopathie behandeln”, schrieb die Journalistin Asja Kasanzeva in ihrem Artikel über Homöopathie für die Zeitschrift „Wokrug Sweta“ (Rund um die Welt). Die Journalistin vergleicht die homöopathische Behandlung mit einem Placebo. Unterstützer der umstrittenen Methode aus dem Nationalen Rat für Homöopathie reagierten empört und verklagten die Zeitschrift, verloren den Prozess aber.

Die Homöopathie hat sich in Russland jedoch zu einem lukrativen Geschäft entwickelt. Nach Schätzungen des Beratungs- und Analyseunternehmens QuintilesIMS wurden 2016 homöopathische Medikamente im Wert von 7,32 Milliarden Rubel, rund 115 Millionen Euro, verkauft – eine Steigerung um 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Der Gegenschlag

Das Memorandum ist die bisher entschiedenste Aussage gegen die Homöopathie in der russischen Geschichte. „Es ist eine Reaktion auf die Obskurität in Medizin und Wissenschaft, auf das Eindringen der Homöopathie in medizinische Hochschulen und auf unkritische Publikationen über diese Methode in den Medien”, sagt Artemij Ochotin, Kardiologe und Leiter der Abteilung für innere Medizin in Tarusa, im Gespräch mit RBTH. So sei die Homöopathie bereits früher von einigen Ärzten kritisiert worden, aber eine “klare, gemeinsame Aussage” habe gefehlt. 

Unterstützer der Homöopathie sind mit dem Memorandum nicht einverstanden. Die Wirtschaftszeitung „Kommersant“ zitiert Michail Schkolenko, Mitglied des Verbandes der Homöopathen in den GUS-Ländern: Schkolenko ist von der Wirksamkeit der alternativen Heilmethode überzeugt und erzählt, dass viele Prominente, darunter auch der russische Zar Nikolai I und Marschall Schukow, von der Homöopathie Gebrauch machten.

Russland ist nicht das einzige Land, in dem Skepsis gegenüber der Homöopathie herrscht. Die Weltgesundheitsorganisation warnte bereits 2009 vor alternativen Heilmethoden und betonte, dass eine homöopathische anstelle der traditionellen Behandlung tödlich enden könne.

Ist die Homöopathie jetzt illegal in Russland?

Das Memorandum der Russischen Akademie der Wissenschaften ist nicht verbindlich, sondern stellt nur einen Appell an das Gesundheitsministerium, den Föderalen Antimonopoldienst und andere Behörden dar. Das Gesundheitsministerium gab bekannt, dass man eine Arbeitsgruppe aus Wissenschaftlern der Russischen Akademie der Wissenschaften sowie Homöopathen gründen werde. Ziel sei es, eine Herangehensweise für das Problem auszuarbeiten. Der Föderale Antimonopoldienst unterstützte das Memorandum, indem er es als “gut konzipiert und schon lange fällig” bezeichnete. 

Ochotin glaubt, es sei nicht ausgeschlossen, dass das Gesundheitsministerium der Empfehlungen der Kommission folgen wird. Die Homöopathie würde dies in Russland allerdings nicht ausrotten. „Durch ein Verbot der Homöopathie werden jene Ärzte, die diese Methoden benutzen, nicht kompetenter. Unter Patienten kann das sogar zu einer steigenden Popularität alternativer Heilpraktiken führen. Deswegen ist dieses Memorandum eher symbolisch und wird wohl nur beweisen, dass das Gesundheitsministerium für Wissenschaft und die akademische Lehre steht”, schließt Ochotin.

RBTH-Check:

Auch in Deutschland ist die Homöopathie umstritten, wird aber oft unterstützend zu schulmedizinischen Behandlungsmethoden eingesetzt. Gesetzliche Krankenkassen tragen diese Kosten in aller Regel allerdings nicht. Rund 60 000 Ärzte in Deutschland verschreiben regelmäßig homöopathische Mittel. Diese dürfen wiederum nur von Apotheken verkauft werden.

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