Energieunion: Können alternative Lieferanten Gazprom verdrängen?

Energieunion: Gazprom hält an Plänen fest

Energieunion: Gazprom hält an Plänen fest

RIA Novosti
Gazprom plant trotz nochmals bekräftigter Autarkiebestrebungen der Europäischen Kommission weiterhin Investitionen in die europäischen Märkte. Zu Recht, wie Experten finden: Eine baldige Unabhängigkeit Europas von russischem Gas sei unrealistisch

Der russische Gasmonopolist Gazprom hält an seinen Investitionsplänen in den europäischen Märkten weiter fest. Zuvor hatte die Europäische Kommission in Brüssel angekündigt, bestimmte Projekte zur Energieinfrastruktur in Europa zu fördern, darunter vier Pipelineprojekte im Baltikum. Konkret geht es um die im Bau befindliche Trans-Adria-Pipeline (TAP), die von Aserbaidschan durch Griechenland, Albanien und das Adriatische Meer nach Süditalien verlegt werden soll, sowie um ein Flüssiggas-Terminal in Kroatien.  Damit beabsichtigt die Europäische Union, die Abhängigkeit von russischem Gas zu senken.

 

Politische Enscheidung?

Für russische Experten sind die Erklärungen der Europäischen Kommission politisch motiviert. „Es war zu erwarten, dass Unternehmen, die im Europäischen Parlament und in der Europäischen Kommission für ihre Vorstellungen einer Energieinfrastruktur lobbyieren, böswillige und marktfeindliche Methoden gegenüber Gazprom anwenden würden“, empört sich Jewgenij Izakow, Dozent an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Staatsdienst beim Präsidenten Russlands (RANEPA).

Die Erweiterung der Pipeline „Nord Stream“, die durch die Ostsee verläuft und künftig die Ukraine als Transitland ausschalten soll, und der Bau des Turkish Stream, dessen Verlauf durch das Schwarze Meer geplant ist, seien stark abhängig von der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation. „Im Moment ist es für europäische Firmen am günstigsten, russisches Gas von Gazprom zu kaufen. Doch wenn der Transport durch die Ukraine unmöglich werden sollte, dann wird der Nord Stream erweitert und die Stimmen der Turkish-Stream-Lobby werden lauter“, meint Izakow.  

Auch Dmitrij Bendekow, Vorsitzender der analytischen Abteilung der Investmentgesellschaft Russ-Invest, kritisiert das Vorhaben der Europäischen Kommission. Die Trans-Adria-Pipeline sei auf dem europäischen Markt gar nicht konkurrenzfähig, sagt er. „Die vorläufige Durchlassfähigkeit des Projekts beträgt zehn Milliarden Kubikmeter im Jahr, bei erfolgreicher Realisierung könnte sie auf 20 Milliarden Kubikmeter erhöht werden“, so Bendekow. Damit sei das Pipelineprojekt keine Konkurrenz für die größten Importeure.

 

Risiken für Gazprom

Alles in allem hängt die Zukunft der russischen Gaslieferungen von den Marktbedingungen insgesamt ab. „Verschlechtert sich die wirtschaftliche Situation in Europa weiter, dann werden die Gaspreise infolge einer geringeren Nachfrage zwangsläufig sinken“, sagt Jewgenij Izakow. Dann hätte Gazprom keine Mittel, um weitere Projekte in Europa zu realisieren. „Verbessert sich die wirtschaftliche Situation hingegen, wird die Nachfrage nach Gas steigen und selbst den US-Konzernen wird es dann schwer fallen, den Ausbau der Zusammenarbeit von Gazprom mit Europa zu verhindern.“ Zumal die amerikanischen Produzenten Izakow zufolge etwa fünf Jahre benötigen würden, um Lieferungen von Flüssigerdgas in Gang zu bringen.

„Die größten Risiken für Gazprom birgt das Wachstum des norwegischen Anteils von Gasimporten in die Europäische Union, darunter auch der Anstieg von Flüssiggasimporten“, meint Dmitrij Bendekow. Allerdings habe der Anteil von Flüssiggas in Europa 2014 nur acht Prozent betragen. Einen weiteren bedrohlichen Aspekt sieht der Analyst im offenbar sinkenden Gasverbrauch in der Europäischen Union: Im Jahr 2014 sei dieser im Vergleich zum Vorjahr um elf Prozent gesunken.

Der für die Energieunion zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maroš Šefčovič, sprach sich kürzlich gegen den Ausschluss der Ukraine aus dem Liefernetz russischen Gases nach Europa aus. Dies „würde zu sehr negativen Folgen für die europäische Energiesicherheit führen“, mahnte er. „Den ukrainischen Transportabschnitt aufzuheben, wäre für die EU inakzeptabel, denn das würde die Gasbalance in Europa verschieben. Was wiederum die Länder Mittel- und Südosteuropas in eine sehr schwierige Lage bringen würde“, erklärte Šefčovič.

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