Die Sicherheitskräfte bereiten sich auf neue Proteste vor. Foto: Itar-Tass
In sozialen Netzwerken kursierte die Meldung, dass die Migranten aus dem Kaukasus eine Protestaktion im Stadtzentrum planen. Zwar eilte diesen Informationen der Ruf einer Provokation voraus, dennoch wurde um 8.00 Uhr der Platz um den Kiewer-Bahnhof von Sicherheitskräften und der Polizei abgesperrt. Das russische Innenministerium kündigte an, bei Ausschreitungen auch Wasserwerfer und Tränengas zum Einsatz zu bringen. Angeblich sollen sich rund 1000 Kaukasier und Hooligans am Kiewer- Bahnhof versammelt haben, meldet die Internetzeitung gazeta.ru. Etwa 200 seien festgenommen worden.
Fehlerhafte Ermittlung im Mordfall
Ursache für die Krawalle am Samstag war der Mord an einem Fan des Moskauer Fußballclubs Spartak: Am 6. Dezember wurde Jegor Swiridow von einem Kaukasier erschossen. Die Polizei hatte nach der Fallaufnahme bis auf den Täter alle Beteiligten entlassen.
Währenddessen haben die Behörden ihre Fahrlässigkeit eingesehen. Die Staatsanwaltschaft sucht nach den unmittelbaren Gründen für die Auseinandersetzung. Laut bisherigen Ermittlungen ging die Meldung über die Schlägerei nachts um halbeins bei der Polizeidienststelle ein. Sieben Minuten später waren die Beamten am Tatort: Swiridow war zu dem Zeitpunkt bereits tot. Vier Verletzte wurden in Krankenhäuser gebracht.Eine Viertelstunde später fassten die Milizionäre unweit des Tatorts die Täter: Aslan Tscherkessow, der unmittelbare Mörder, hatte Blutspuren auf der Kleidung. Bei ihm wurde auch eine Schusswaffe sichergestellt. Mit dieser Pistole ist Jegor Swiridow erschossen worden. Fünf Augenzeugen identifizierten die festgenommenen Kaukasier als Beteiligte. Aus den Ermittlungen geht hervor, dass die Schlägerei spontan ausbrauch. Einer der verletzten Spartak-Fans soll zu seinen Freunden gesagt haben, „Ihr brüllt ja wie in den Bergen“. Die unweit stehenden Kaukasier fühlten sich angesprochen und empfanden diesen Ausruf als Beleidigung. Plötzlich fielen sie mit Flaschen und einer Schusswaffe über die jungen Männer her.
Heute bleibt die Situation in der Stadt angespannt. Auf den Straßen und in den U-Bahn-Stationen kam es zu weiteren Übergriffen auf Migranten aus dem Kaukasus und Zentralasien: Ein Hausmeister aus Kirgisien wurde von 15 Nazis geschlagen und erstochen. Die Ermittlung führt der Moskauer Polizeichef Wladimir Kolokolzew persönlich. In der U-Bahn wurden mehrere Kaukasier aus den Waggons gezerrt und brutal verprügelt. Ein kaukasisch aussehender 26-Jähriger wurde wegen seinem Äußeren verprügelt. Daraufhin nahm die Polizei vier Männer zwischen 24 und 28 Jahren sowie zwei 19-jährige Frauen fest. Das SOWA-Zentrum für Fremdenfeindlichkeitsforschung berichtet von Dutzenden Übergriffen auf Zugereisende aus dem Kaukasus und Zentralasien. Damit sei der Ausnahmezustand eingetreten.
Reaktionen oben
Der Russische Präsident Dmitrij Medwedjew twitterte am späten Sonntag Abend: „ Die Situation im Land und in der Hauptstadt ist unter Kontrolle. Wir werden uns allen annehmen, die diesen Mist gebaut haben. Sie können sich sicher sein.“ Einen Tag darauf forderte Medwedjew Generalstaatsanwalt Jurij Tschajka auf, bei allen Beteiligten möglichst hart durchzugreifen. Auch die Gesellschaftskammer traf sich anlässlich der Ereignisse. An der Sitzung haben Sprecher diverser Fußball-Fanclubs, Vertreter der Moskauer Staatsanwaltschaft und des Jugendverbandes teilgenommen. Der Vize-Vorsitzende des studentischen Minderheitenverbandes Asamat Minsajew sagte, den Jugendlichen in der Stadt sollte klargemacht werden, dass diese Verbrechen durch Verbrecher begangen werden, wobei Kaukasier wie Russen gleichermaßen beteiligt seien. Minsajew wandte sich auch an die Jugendgruppen in den sozialen Netzwerken: „Geht nicht auf die Straße, selbst wenn ihr aufgerufen werdet. Solche Aufrufe verfolgen das Ziel, Massenunruhen und Ausschreitungen zu provozieren.“
Kaukasuszuwanderer werden vor Provokationen gewarnt
Die Sprecher der Minderheitenbewegungen indes nehmen die verschärfte Lage im Moskauer Zentrum sehr ernst. Sie empfehlen ihren Landsleuten, öffentliche Plätze zu meiden und zu Hause zu bleiben. In Moskau lebende Tschetschenen raten ihren Angehörigen ab, nach Moskau zu reisen. In der tschetschenischen Hauptstadt Grosny werden Fahrkarten und Flugtickets derweil zurück gegeben.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei der Tageszeitung Kommersant.
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