Bei schlechter Wirtschaft nützt auch kein Brüllen: Jurij Sjomin, Trainer Loko-motive Moskau, diskutiert mit dem Schiri beim Lokalderby gegen ZSKA. Foto: RIA Novosti
Heutzutage würden 12,6 Millionen Euro vielleicht gerade einmal ausreichen, um das linke Bein eines anständigen Stürmers bei Manchester United, Barcelona oder Juventus zu kaufen. Genau so viel hat das Erreichen des Viertelfinales der Champions League dem Verein ZSKA Moskau eingebracht. ZSKA erhielt damit einen Betrag, der dem durchschnittlichen Jahres-Budget eines russischen Vereins entspricht.
Das mag überraschen, aber es unterstreicht nur die finanziellen Schwierigkeiten, mit denen der russische Fußball zu kämpfen hat. Die meisten Vereine werden entweder von Regionalregierungen oder großen Staatsunternehmen wie Gazprom, Lukoil, Rosneft oder der Russischen Eisenbahn gefördert. Andere Einnahmequellen wie Übertragungsrechte, Eintrittskarten und Merchandising, im Westen von entscheidender Bedeutung, bringen in Russland nur wenig ein. Aus TV-Rechten erhielten die 16 Vereine im Jahr 2010 nur magere 18 Millionen Euro.
Vor der Wirtschaftskrise wurden russische Fußballclubs mit Sponsorengeldern überschüttet, und kauften für zweistellige Millionenbeträge Spitzenspieler aus Europa und Südamerika ein. Experten warnten schon damals davor, doppelt so viel auszugeben, wie die Vereine jemals in der Lage seien einzunehmen. Und behielten recht: Mittlerweile ist der russische Fußball gezwungen, realistische finanzielle Perspektiven zu entwickeln.
Zu Beginn der Finanzkrise überstiegen die jährlichen Gehälter der Spitzenspieler von 2,5 bis 3,5 Millionen Euro bei Weitem die üblichen Einkommen der Fußballer, sogar bei den großen Vereinen. Während der ersten „Krisensaison“ 2009 wurden jedoch keine ernsthaften Versuche unternommen, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Die meisten Vereine reduzierten ihr Budget um lediglich zehn Prozent, andere hingegen weigerten sich sogar, ihre Ausgaben zu revidieren.
Tomsk, ein Verein im Mittelfeld der Liga, verschleuderte sein jährliches Budget innerhalb der ersten vier Monate und sah sich am Rande der Insolvenz. Erst als ein schriftliches Hilfsgesuch Premierminister Wladimir Putin erreichte, versammelte dieser einige Schwergewichte der örtlichen Geschäftswelt und „empfahl ihnen nachdrücklich“, den schwächelnden Verein zu unterstützen.
Eine ähnliche Rettungsaktion hielt im Frühjahr den Club Krylja Sowjetow Samara am Leben. Vor einigen Jahren genoss dieser noch den Ruf, die meisten Zuschauer (bis zu 30.000) in Osteuropa anzulocken. Dann übernahm sich die Vereinsführung mit Krediten: Bis zum Ende der Saison 2009 war ein Schuldenberg von 80 Millionen Euro angewachsen.
Die Fans demonstrierten gegen den nahenden Bankrott – und wieder gab es einen Retter in der Not. Putin überredete lokale Sponsoren, sich großzügig zu zeigen. Dennoch war der Club gezwungen, sein Budget um zwei Drittel zu kürzen.
Der einzige Verein, dem die Regierung nicht zu Hilfe kam, war der FK Moskau. Einen Monat vor Beginn der Saison 2010 entzog der Hauptsponsor Norilsk Nickel dem erfolgreichen Fußballclub seine Unterstützung. Die Mannschaft flog aus der Premier Liga. Dieser dramatische Ausstieg hat vielen Fans und Fußballexperten klar gemacht, dass der russische Fußball einer grundlegenden Umstrukturierung bedarf.
2010 war in den Vereinen zumindest ein „Reality-Check“ zu spüren. Im vergangenen Winter gab es keinen Transfer mehr, der über 6,3 Millionen Euro kostete. Aber schon im Sommer war die Zeit der Bescheidenheit vorbei: Zenit machte mit 22 Millionen Euro für den Portugiesen Bruno Alves den teuersten Einkauf der russischen Fußballgeschichte.
Ilja Subko ist stellvertretender Leiter des Ressorts Sport bei der Rossijskaja Gaseta.
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