Lybien-Konflikt entzweit das Kreml-Tandem

Foto: Itar-Tass

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Moskau. Die Luftangriffe auf Libyen verursachen Kollateralschäden in Moskau: Dmitri Medwedew und Wladimir Putin liefern sich eine heftige Auseinandersetzung um den Sinn der UN-Resolution und die richtige Wortwahl.

Den Anfang machte der Premier: Einen Besuch in einem Rüstungsbetrieb in Udmurtien nutzte Wladimir Putin zu einer Generalkritik an der US-Außenpolitik in den vergangenen 15 Jahren. Unter Clinton sei Jugoslawien bombardiert worden, Bush habe den Einmarsch in Afghanistan und später im Irak befohlen und nun sei Libyen an der Reihe, sagte er.

Putin fühlt sich an Kreuzzug erinnert 

Anschließend kritisierte Putin auch den Sinn der UN-Resolution, die er „unvollständig und schädlich“ nannte. „Sie erlaubt allen alle Handlungen in Bezug auf einen souveränen Staat und erinnert mich an einen mittelalterlichen Aufruf zum Kreuzzug“, führte der Premier weiter aus.

Niemand dürfe sich mit Gewalt in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Landes einmischen, auch wenn dort nicht Demokratie nach westlichem Muster herrsche. Russland werde seine Raketenabwehr verdoppeln, sagte Putin.

Die Kritik an der UN-Resolution darf durchaus auch als Angriff auf Medwedew gewertet werden, schließlich hatte Russland diese Resolution durchgewunken und von seinem Veto-Recht keinen Gebrauch gemacht.

Medwedew für Veto-Verzicht im UN-Sicherheitsrat verantwortlich

Medwedew ist sich seiner Verantwortung durchaus bewusst; die Resolution sei auf seine Anweisung hin nicht blockiert worden, erklärte der Präsident am Abend vor russischen Journalisten. „Es war ein qualifizierter Verzicht auf unser Veto-Recht mit klar absehbaren Folgen“, sagte er.

Die Resolution gebe im Großen und Ganzen die Linie Russlands in der Libyen-Frage wider, erklärte Medwedew. Er kritisierte, dass bei den Luftangriffen Zivilisten ums Leben gekommen seien und rief die westliche Koalition zu einer einheitlichen Führung auf, die darauf abziele, die kriegerischen Handlungen und das Blutvergießen in Libyen zu beenden.

Medwedew: Verantwortung für das Blutvergießen liegt bei Gaddafi

Medwedew erklärte aber auch, Grund der Luftangriffe seien die verbrecherischen Handlungen der libyschen Führung gegen ihr eigenes Volk gewesen. Diese verurteile Moskau „uneingeschränkt“, betonte Medwedew. „Alles andere ist nur eine Folge dieser Handlungen“, legte er die Verantwortung auf die Schultern Gaddafis.

Russland werde sich nicht an den Luftangriffen beteiligen, sei aber bereit zu einer Vermittlerrolle. Moskau habe im Gegensatz zu vielen westlichen Staaten die diplomatischen Kontakte zu Tripolis nicht abgebrochen, „ohne zu übersehen, was die Führung dieses Landes getan hat“, sagte Medwedew.

Scharfe Kritik an Kreuzzugs-Gerede Putins

Bei der Beurteilung der nun entstandenen Lage „ist es nicht hinnehmbar, dass Ausdrücke gebraucht werden, die zu einem Kampf der Kulturen führen, wie etwa Kreuzzug“, wies Medwedew anschließend scharf die Kritik Putins zurück.

Es ist das erste Mal, dass sich das Kreml-Tandem so eindeutig gegeneinander positioniert hat. Selbst wenn es in der Vergangenheit Meinungsverschiedenheiten gab, hat Medwedew seinem Premierminister nie öffentlich so hart widersprochen und gerügt.

2012 sind Präsidentenwahlen in Russland. Bislang hat sich die russische Führung noch nicht entschieden, welcher der beiden Kandidaten – Putin

oder Medwedew – antreten wird. Beide haben in der Vergangenheit aber erklärt, bei den Wahlen nicht gegeneinander anzutreten. Eine Frage der Kandidatur werde im Vorfeld intern geklärt, sagten sie.

Der Riss im Tandem könnte sich aber noch ausweiten. Morgen wird Putin in der serbischen Hauptstadt Belgrad erwartet - am Vorabend des Jahrestages der Nato-Luftangriffe 1999.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Russland-Aktuell.

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