Mascha Melnikowa vertritt Russland beim Finale von Jugend debattiert International im Oktober in Kiew.
Im Konzertsaal des Anitschkow-Palastes am
Newski Prospekt herrschten am Samstagnachmittag Aufregung und
Anspannung. Vier Schülerinnen bestritten das 2. Russische Landesfinale
von „Jugend debattiert international“. Ihr Thema lautete: „Soll die
Freigabe russischer Kinder ins Ausland verboten werden?“ Ein heikles, ein kontroverses Thema. Also genau das Richtige, um sich in
der Kunst des Debattierens zu üben. Und das auch noch in einer
Fremdsprache – die Teilnehmerinnen (zwei aus Petersburg und zwei aus Moskau) lernen an russischen Schulen mit erweitertem Deutschunterricht
in der 10. bzw. 11. Klasse.
Die Debattantinnen
wurden auf eine harte Probe gestellt, denn bevor sie hinter die Pulte
und mit dem Debattieren beginnen durften, gab es – wie üblich bei
solchen Veranstaltungen – jede Menge Grußworte.
Der Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Schaller, sprach
z. B. von der „Faszination der Rhetorik“ und der „Begeisterung für den
kreativen Umgang mit dem Wort“, die bei ihm, einem „alten 68er“, bis
heute anhalte.
Maria Fassbinder von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA)
in Moskau machte das Publikum anschließend mit dem Werdegang der
russischen Variante von „Jugend debattiert international“ vertraut.
Russland ist erst zum zweiten Mal dabei, und Teilnehmer sind vorerst nur
Schulen in Moskau und St. Petersburg.
Die Themen der Debatten schlagen die Schüler übrigens selbst vor. Nicht selten geht es um brisante Dinge wie etwa: „Soll die Ehe zwischen Homosexuellen erlaubt werden?“ Die Themen für das Halbfinale und das Finale bestimmt dann ein Lenkungsausschuss.
Er setzt sich aus Vertretern der Projektveranstalter zusammen – dies sind das Goethe-Institut, die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die Gemeinnützige Hertie-Stiftung und die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen.
In den beiden Halbfinalen
debattierten die Jugendlichen über die Fragen, ob die Moskauer und
Petersburger Metrostationen nachts für Obdachlose geöffnet und ob die
Gouverneure wieder vom Volk gewählt werden sollen.
Das Finalthema erwies sich dann als sehr
harter Brocken. Bei „Jugend debattiert“ geht es ja nicht darum, die
eigene Meinung möglichst argumentativ und überzeugend darzulegen,
sondern möglicherweise genau den entgegengesetzten Standpunkt
einzunehmen.
Zwei Teilnehmer/Innen stellen die Pro-Seite und zwei
die Contra-Seite. Beim diesjährigen Thema hatte die „Pro“-Seite aber
von vornherein die schlechtere Ausgangsposition, denn ein generelles
Adoptionsverbot für Ausländer ist kaum vernünftig zu begründen.
Das sagten dann auch die Teilnehmerinnen im Anschluss an die Debatte. Die Frage sei zu rigoros gewesen, meinten sie. Ein Verbot sei eine zu radikale Maßnahme, die mit nichts zu begründen sei. Auch die Veranstalter gaben hinterher zu, das Thema unterschätzt zu haben.
Barbara Frankenberg vom Goethe-Institut St. Petersburg sagte, man könne oft vorher nicht wissen, wie sich eine Fragestellung entwickelt, aber das mache die Sache dann irgendwo auch noch spannender, als sie es eh schon sei.
Maria Melnikowa
von der Schule Nr. 1222 in Moskau befand die Jury nach einer 40 Minuten
(!) währenden Sitzung schließlich als die Beste in den vier wichtigsten
Bewertungskriterien Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit
und Überzeugungskraft.Zweite wurde Polina Toritschnaja von der Petersburger Schule Nr. 506.
Beide vertreten Russland beim 5. Internationalen Finale, das vom 17. bis
22. Oktober in Kiew stattfindet. Russland nimmt erst zum zweiten Mal
daran teil und hat das Finale im letzten Jahr in Berlin übrigens sofort
aus dem Stand heraus gewonnen.
Maria sagte in einem kurzen
Gespräch beim anschließenden Sektempfang, sie sei mehr oder minder aus
Zufall an das Deutschlernen geraten. Ihre Mutter und dann ihr Bruder
hätten diese Schule schon besucht, so dass es nur logisch war, dass auch
sie dort lernen würde.Sie möchte an der Moskauer Universität Deutsch studieren, aber was sie
dann damit macht, werde sich zeigen. Erstaunlich: Sie war noch kein
einziges Mal in Deutschland! Das sollte sich nächstens wohl ändern.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Russland-Aktuell.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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