Wiktor Subkow Foto: ITAR-TASS
Eine der gegenwärtigen Schlüsselaufgaben besteht darin, eine höchstmögliche Zahl neuer Akteure in das System der bilateralen Beziehungen zu integrieren. In die Partnerschaft zwischen unseren Ländern müssen nicht nur Bundesbehörden und Großunternehmen einbezogen werden, sondern auch die gesamte Zivilgesellschaft - genau darin bestehen Aufgabe und Ziel des Petersburger Dialogs, eines gemeinsamen russisch-deutschen Forums. Wir sind angehalten, die Beziehungen zwischen russischen und deutschen Städten, Organen der örtlichen Selbstverwaltung, kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern.
Die Partnerschaft zwischen russischen und deutschen Städten kann inzwischen auf eine langjährige Geschichte zurückblicken. Die erste Städtepartnerschaft entstand 1957 zwischen Hamburg und Leningrad, dem heutigen St. Petersburg. Einen großen Impuls erhielt diese Bewegung Ende der 1980er – Anfang der 1990er Jahre. In diesem Bereich wurden umfangreiche Erfahrungen gesammelt, die für die fruchtbare Interaktion von über 80 Städtepartnerschaften genutzt werden können. Eine unserer dringlichsten Aufgaben besteht darin, diese Kontakte intensiver und vielfältiger zu gestalten.
Welche Projekte lassen sich auf der Grundlage unserer Städtepartnerschaften ins Leben rufen? An erster Stelle geht es natürlich um den Ausbau der Kontakte zwischen den Menschen beider Staaten. Austauschprogramme tragen dazu bei, das Partnerland besser kennenzulernen und negative Stereotypen in der Gesellschaft zu überwinden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Städtepartnerschaft zwischen Jaroslawl und Kassel. Jährlich finden auf verschiedenen Ebenen über 30 Begegnungen statt. Einen selbstverständlichen Schwerpunkt bildet der Jugendaustausch. Die Städtepartnerschaften verfügen über ein hohes Potential, um die Entstehung einer neuen Generation in Russland und Deutschland zu fördern – einer Generation, die durch ein positives Bild des Partnerlandes geprägt ist.Verschiedenartige soziale Initiativen stellen einen zweiten wichtigen Schwerpunkt unserer gemeinsamen Aktivitäten dar. So arbeiten die Partnerstädte Pskow und Duisburg schon über mehrere Jahre gemeinsam an einem Projekt zur Behandlung von behinderten Kindern mit multiplen Entwicklungsstörungen. In Wolgograd wurde mit Unterstützung der Partnerstadt Köln ein Netzwerk von Begegnungsstätten für Senioren organisiert.
Das alles sind wunderbare und bemerkenswerte Initiativen, wobei allerdings ein Detail augenfällig ist. Bei der überwiegenden Mehrheit dieser gemeinsamen Projekte geht es in erster Linie um Hilfe, die die deutsche Seite leistet. Gut, das ist durchaus natürlich, weil unsere deutschen Partner aus einem reicheren Erfahrungsschatz in den Bereichen Sozialarbeit und soziale Projekte schöpfen können. Es ist aber erforderlich, zu ausgewogeneren und beiderseitig nutzbringenden Beziehungen überzugehen. Die russischen Regionen sind berühmt für ihre wunderbaren natürlichen Reichtümer, die auch für Heilzwecke genutzt werden können. Denkbar wäre beispielsweise die gemeinsame Organisation eines Netzes von Rehabilitationseinrichtungen, in denen sowohl russische als auch deutsche Patienten behandelt werden könnten. Meines Erachtens bietet sich der Petersburger Dialog als organisatorische Basis für die Umsetzung solcher Projekte an.Die klein- und mittelständische Wirtschaft sowie die örtliche Selbstverwaltung stellen wichtige, aber noch nicht in genügendem Maße wahrgenommene Kooperationsschwerpunkte dar.
Wir Russen wissen, dass kleine und mittlere Unternehmen einen der wichtigsten Bestandteile des deutschen Wirtschaftssystems bilden. Die gegenwärtige Situation in Russland ist weniger gut, die Marktwirtschaft ist gerade einmal 20 Jahre alt – viel zu wenig, um einen starken und wirtschaftlich selbständigen Mittelstand entstehen zu lassen. Für diesen Bereich brauchen wir den Erfahrungsaustausch – über die für KMUs erforderlichen Rahmenbedingungen und über ihre unternehmerischen Vorgehensweisen. Regelmäßige Arbeitstreffen und Konferenzen, insbesondere unter Einbeziehung junger Unternehmer, könnten für viele russische Unternehmer erfolgversprechend sein, sowie auch gemeinsame Bildungsprogramme. Es erscheint mir sinnvoll, solche Veranstaltungen auf der Ebene der Städtepartnerschaften anzusiedeln und durchzuführen.
Ein weiteres wichtiges Schwerpunktthema sind die Aktivitäten deutscher KMUs in Russland. Im Rahmen der Städtepartnerschaften können die städtischen Behörden einerseits potentielle Investoren mit Informationen versorgen und andererseits für konkrete Partner ein günstiges Investitionsklima schaffen.
Im Bereich der örtlichen Selbstverwaltung besitzt Russland noch weniger Erfahrungen. De facto sind bei uns die Institutionen der örtlichen Selbstverwaltung erst in 2003 entstanden und stecken noch „in den Kinderschuhen“. Die einschlägigen Erfahrungen unserer deutschen Kollegen sind für uns sehr wertvoll. Es geht um die Organisation des Systems der Selbstverwaltung und um die Ausbildung des Personals der städtischen Verwaltungen. Eine gemäß demokratischen Prinzipien aufgebaute örtliche Selbstverwaltung muss in Russland die Rolle einer Art Lokomotive für die Entwicklung der Zivilgesellschaft übernehmen und den ständigen Dialog zwischen Regierung und Öffentlichkeit gewährleisten.
Abschließend möchte ich hervorheben, dass die Entwicklung der Städtepartnerschaften den russisch-deutschen Beziehungen eine neue Qualität verleihen und ihre Vielfalt und Tragfähigkeit gewährleisten kann.
Wiktor Alexejewitsch Subkow ist erster Stellvertretender Vorsitzender der Regierung der Russischen Föderation und Vorsitzender des russischen Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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