Gianni arbeitet lächelnd, was sowieso die beste Einstellung beim
Arbeiten ist; „Ugo“ Soledad nimmt jeden Tag eine weitere neue Rolle ein
(wir sind mittlerweile bei acht: Dolmetscherin, Übersetzerin,
Organisatorin, Finanzleiterin, Gruppenleiterin, Fernsehproduzentin,
geistige Führerin und Hüterin eines allgemeinen gesunden
Menschenverstands).
Zwei Tage Stillstand in einem Hotel in Moskau waren jedoch ausreichend,
um uns zu verstehen zu geben, dass wir nicht mehr für das Sightseeing
und die touristischen Beschäftigungen geschaffen sind, oder es noch nie
waren. Wir beginnen zu zittern und jeder von uns entwirft im Kopf die
eigene, kleine, individuelle Reise.
Eine Fahrt im gelben Taxi Nr. 255, das uns für einen vernünftigen Preis
(400 Rubel, 10 Euro) bis zum Kievsky-Bahnhof gebracht hat, war hingegen
ausreichend, um Folgendes zu verstehen: Die Reise hat begonnen! Und wir
sind wieder im Einklang mit uns selbst.
Mark studiert die Orte wie eine Katze – ich beschnuppere sie wie ein
Spürhund; Gianni beobachtet sie wie ein Falke; Sole leitet liebevoll
diesen Zoo. Russische Bahnhöfe sind reich an strahlenden Kiosken,
gefüllt mit wunderbar unnützlichen Produkten, Sitzplätzen in
altertümlichen Farben (flaschengrün, amarantrot) und Polizisten mit
weiten kinematografischen Mützen. Auf die Gleise begibt man sich im
letzten Moment: aus wetterbedingten Gründen, wenn es draußen kalt ist,
oder weil man es mittlerweile so gewohnt ist, auch wenn es draußen recht
mild ist, wie heute Abend.
Nach vielen Jahren des Reisens ist es immer noch spannend, die Inschrift
"KIEV" auf einer beleuchteten Tafel zu lesen. Wir gehen an Bord. Der
Zug bewegt sich in die moskauer Nacht. In unserem Videoblog könnt ihr
sehen, wie wir untergebracht waren, sowie unsere statuenhafte
ukrainische Zugschaffnerin, die imstande gewesen wäre, eine Lokomotive
mit einem Blick zu stoppen. Auch die Grenzpolizistinnen haben mir gut
gefallen: gut gebaut, blond, gleichmütig, die um vier Uhr morgens die
Reisepässe der Zuggäste, verschlafen und in Unterhose, kontrollieren.
Diese jungen Damen müssen Dinge gesehen haben, die sich andere Menschen
nicht einmal vorstellen können. Nichts kann sie aus der Fassung bringen.
Na gut: Wenn aus dem Abteil von Gianni und Beppe 22 junge, ungenierte
und tanzende Mädels herauskämen, würden sie sich vielleicht schon
wundern. Doch hier sind wir an der russisch-ukrainischen Grenze und
sprechen nicht über italienische Politik.
(Deutsche Übersetzung: Soledad Ugolinelli)