Trotzdem, Krakau ist anders. Es ist Papststadt. Gemeint ist nicht der
aktuelle Papst, gemeint ist natürlich Johannes Paul II, der im Jahr 2005
starb und der am 1. Mai selig gesprochen wurde.
Über Krakaus Straßen, an den Kirchen, an Wohnungsfenstern hängen Bilder
von ihm. Auf dem Platz vor der Marienkathedrale, wo alte Frauen in alter
Tracht alte Kinderwagen mit Puppen hin- und herschieben, um sich von
Touristen fotografieren zu lassen. In den Buchhandlungen, an den
Kiosken. Es gibt einen Witz, den fast jeder Pole erzählen kann und der
eigentlich kein Witz ist: Treffen sich zwei Polen. Sagt der eine: »Ich
habe gerade im Fernsehen den Papst gesehen.« Sagt der andere: »Das kann
nicht sein. Der Papst ist tot!«
Karol Wojtyla wird hier längst wie ein Heiliger verehrt. Und so sehr man
in Polen untereinander auch streiten kann, über die Ursachen des
Flugzeugabsturzes bei Smolensk, über die Arbeitslosigkeit, über die
Abwanderung, so einig ist man sich doch mehrheitlich bei Johannes Paul
II.
Im Bischofspalast gibt es das berühmteste Fenster Polens, das Fenster,
von dem aus der Papst mit den Menschen sprach. Heute ziert es ein
Gemälde, keine Frage, wer darauf zu sehen ist. Gegenüber erzählen
Fremdenführer Reisegruppen im Zehnminutentakt, warum Karol Wojtyla, der
in Krakau im Zweiten Weltkrieg ein Priesterseminar im Untergrund
besuchte, später hier als Erzbischof Widerstand gegen die
kommunistischen Machthaber leistete, als erster Papst 1979 in den
Ostblock reiste und in Polen die Opposition weckte, hier nach wie vor so
unheimlich populär ist. So populär, dass für viele immer noch eine
einfache Gleichung gilt: Papst Johannes Paul II ist gut – also ist die
katholische Kirche gut. Auch wenn, davon sprechen die Fremdenführer
nicht, die Kirche etwa mit ihrem Widerstand gegen künstliche Befruchtung
und ihren Pflichtseminaren zum ehelichen Verhalten vor der Hochzeit
heute eine stark rückwärtsgewandte Rolle einnimmt.
Apropos: Rückwärtsgewandt sind auf einmal auch die Köpfe einer
italienischen Touristengruppe, die den Mützen nach aus lauter
pensionierten Seeleuten besteht. Und die vor der Franziskanerkirche
meinen Reisebegleiter Beppe Severgnini entdeckt haben, ihm eine Mütze
überstülpen und sich vielfach mit ihm fotografieren lassen. Der
Reiseführers daneben ist erleichtert als er erfährt, dass dieser
weißhaarige Herr mit Brille KEIN Kirchenmann ist.
Nun ja, ein bisschen Streit gibt es doch um den Papst. Genauer um sein
Blut, von dem ihm vor seinem Tod für eine Operation ein paar Ampullen
abgenommen wurden. Eine dieser Ampullen möchte Kardinal Stanislaw
Dziwisz, der heutige Erzbischof von Krakau, ab dem 11. Juni in eine
neuen Kirche in »Zentrum Johannes Paul II.« ausstellen. Vor ein paar
Jahrhunderten war derlei durchaus üblich; heute sehen Kritiker darin
eine »mittelalterliche Praxis«.
Vielleicht ist einer der Gründe für die Beunruhigung auch, dass das Blut
des 2005 verstorbenen Papstes angeblich noch nicht geronnen ist. Nicht
unbedingt ein Wunder. Es könnte auch einfach daran liegen, dass dem Blut
im Krankenhaus ein Mittel beigemischt wurde, das den Gerinnungsprozess
verhindert.