Das italienische Prag

Wenzelsplatz in Prag

Wenzelsplatz in Prag

Kennt ihr Prakrapest? Es ist eine legendäre Stadt Zentraleuropas, die aufgrund ihres guten Biers, ihrer alten Häuser und ihrer jungen Frauen unter Italienern besonders beliebt ist. Sie ist sowohl exotisch als auch vertraut, geheimnisvoll und gastfreundlich, anschaulich aber wiederum auch undurchschaubar. Die jungen Frauen sprechen merkwürdige Sprachen, aber lächeln auf eine Art und Weise, die unsere Frauen schon längst vergessen haben (versichern Fachexperten). Nach dem Übergang von der Diktatur zur Demokratie und von der schlechten zur monotonen Küche wird Prakrapest heute vom kommerziellen Taumel ergriffen und von Horden von Schülerklassen überflutet. Nur die ausländischen Geheimagenten, die sich zu Zeiten der UdSSR hier aufhielten, waren genauso zahlreich.

Prakrapest! Zentraleuropäische Krasis für Prag (wo wir uns heute befinden), Krakau (wo wir gestern waren) und Budapest (wohin wir diesmal nicht fahren werden). Eine Stadt, die sich im Kopf vieler Italiener überschneidet und durcheinandergebracht wird. Das amerikanische Pendant in Italien heißt Rovenenz: Nach einer Woche schauen alle Kirchen gleich aus, genauso wie die Speisekarten.

Und die Deutschen? Lieben sie Prag? Einer von ihnen, der hier ansässig ist, spricht von einer „halbherzigen und respektvollen Liebe an der Grenze zum Desinteresse. Die Tschechische Republik ist ein höflicher Nachbar, der nicht stört: Man kümmert sich wenig um ihn“. Diese Stadt, einst Sammelbecken von Kulturen, die das Beste der slawischen Seele, des germanischen Einflusses und der jüdischen Tradition in sich vereinigte, übt nicht mehr denselben Reiz aus. Die Touristen aus Hamburg bevorzugen die Costa del Sol und die deutschen Politiker, die zu Besuch kommen, bleiben nicht einmal für eine Nacht.

Prag! 1982 bin ich mit dem Motorrad (von Budapest aus und in Richtung Krakau) hier angekommen. 1988 und 1989 kam ich als Sonderberichterstatter zurück und habe die gesamte „Samtene Revolution“ miterlebt. Weiße Haut und schwarzer Geldumtausch, Vaclavské Namesti (Wenzelsplatz) voller Polizisten und Hoffnungen und jene vorsichtigen Gespräche im Café Slavia am Ende der Narodni-Straße, wenn man Richtung Moldau geht. Damals gab es noch kein Internet und keine Handys, dennoch hatten wir das Gefühl, etwas zu verstehen, vielleicht weil wir Zeit zum Beobachten, Unterhalten und Nachdenken hatten.

Václav Klaus, heutiger Präsident der Tschechischen Republik, schnitt damals Visitenkarten mit einer Nagelschere aus einem fotokopierten Blatt. Der Dissident Václav Havel öffnete Wohnungstüren und bot den Menschen einen Platz unter Büchern an. Einige Monate danach, als er dann zum Präsidenten ernannt wurde, hat er mir von seinem Schloss aus, in dem er sich eingeschlossen hatte, erklärt, warum Diktaturen ruchlos sind, jedoch gute Literatur produzieren. Aus diesem Grunde spüre selbst ich eine gewisse Sehnsucht danach, sagte er.

Ich bin oft nach Prag zurückgekehrt, zu jeder (politischen und meteorologischen) Jahreszeit. Die Stadt ist immer wunderschön, doch steht sie wie eine Bühne da, die auf ihre Vorstellung wartet. Diese könnte recht bald aufgeführt werden, was aber auch nicht unbedingt sicher ist. Würde ich heute von der „Samtenen Revolution“ sprechen, würden mich Agnezka und Dorota fragen, ob es sich dabei um die neue Werbung einer Hautcreme handelt.

(Deutsche Übersetzung: Soledad Ugolinelli)

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