La Rambla in Barcelona
Ich muss mich bei der spanischen Eisenbahngesellschaft entschuldigen. Für meine gestrige Andeutung, der Regionalzug zweiter Klasse, mit dem wir das letzte Stück Weg nach Barcelona zurücklegten, könne fürchterlich sein. In einem so schicken, sauberen und gut ausgestatteten Regionalzug bin ich noch nie gefahren. Es gab neue Sitze, Strom am Platz, Leselampen und auf den Toiletten, unglaublich: einen Wickeltisch. Wenn das die Zweite Klasse in spanischen Regionalzügen ist, muss es in der Ersten wohl jemanden geben, der einem Frühstück und Abendessen an den Platz bringt, dazu gebügelte Zeitungen und die lokale Wettervorhersage für den Zielort.
Letztere lag auf meinem Bett im Hotel Bagués, direkt an der Rambla, der Flanierstrecke im Herzen Barcelonas. Die Spanier sind höfliche Gastgeber, die jedem ein gutes Gefühl geben, aber doch klare Unterschiede machen: Beppes Zimmer liegt im sechsten Stock, verfügt über eine Terrasse mit Jacuzzi (ich fragte zweimal nach) und Beppe versicherte mir glaubhaft, von all dem Motorenlärm, Autohupen und Schreien unten auf den Straßen habe er kein bisschen mitbekommen. Mein Zimmer dagegen befindet im dritten Stock, hatte kein Jacuzzi und nicht einmal eine Terrasse, und als ich es betrat wollte ich die Fenster schließen, weil der Straßenlärm so laut war. Aber die Fenster waren bereits zu.
Möglicherweise wollte man mir, dem Deutschen, so auch nur klarmachen, was Beppe längst weiß: Dass Barcelona eine pulsierende Stadt ist, die nachts noch einmal richtig aufdreht, und das bis in die frühen Morgenstunden. Als wir die ziemlich touristische Bar, in die wir abends nach unserer langen Zugfahrt Tapas-hungrig eingefallen waren verließen, hatten wir auf der Ramblas die freie Auswahl zwischen mindestens zwei Dutzend herumlungernden Anbietern von »Haschisch, Opium, Kokain und mehr«. Doch auch das ist in unserem Budget nicht drin.
Viel schöner finde ich Barcelona bei Tag, vor allem, wie wir es erlebten.
Eine Leserin von Beppes Blog namens Laura hat mit und für uns eine Fahrradtour geplant. In Barcelona gibt es ein System von Mietfahrrädern, die man mit Magnetstreifenkarten unkompliziert mieten kann, unbegreiflicherweise nur, sofern man hier lebt. Aber Laura hat genug Magnetkarten für uns alle und man muss zwei Dinge sagen: Laura könnte Barcelona by Bike gewerbsmäßig anbieten. Und: Die Stadt ist wirklich schön. Wir sehen den alten Hafen, den Fährhafen, den Yachthafen. Wir lungern (ganz kurz nur, liebe Freunde vom Goethe-Institut, ganz kurz nur...) am Strand herum – wo gibt es das schon, das Meer mitten in der Stadt, dann der Strand, dann eine breite Promenade auf der man hemmungslos joggen oder rollerbladen kann, dahinter eine Doppelreihe großer Palmen, dann ein Designhotel nach dem nächsten: Miami Beach ist nichts dagegen.
Wir strampeln hinauf zur Sadgrada Familia, der Unvollendeten, jener Basilika, die Antoni Gaudi einst entwarf und die seit 1882 im Bau ist, der nach aktuellen Prognosen 2026 abgeschlossen sein wird. Aber auf ein paar Jahre mehr oder weniger kommt es nicht an, zumal die Basilika gerade wegen ihrer Unvollendetheit zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Spaniens gehört und sich ihr Bau unter anderen wiederum aus den Eintrittsgeldern finanziert – in diesem Zusammenhang ist Teufelskreis ein unpassendes Wort, mir fällt aber kein anderes ein.
Wir kommen bei unserer Fahrradtour übrigens geschätzte vier Mal so schnell voran wie die Leute, die im Stau in ihren Autos kochen. Fahrradfahren in der City Barcelonas ist ganz angenehm: Die wenigen Radwege, die es bisher gibt sind relativ leer, weil es auch wenig Radfahrer gibt. Und diese Minderheit verhält sich gegenüber Fußgängern und Autos naturgemäß so zurückhaltend, dass die Autofahrer und Fußgänger sie noch wie ein Kuriosum hinnehmen. Kein Vergleich zu dem Straßenkampf, der in deutschen Städten tobt. Wir radeln klingelnd durch die Fußgängerzone wie großmäulige Kinder und man hätte uns sicher auch in die Basilica de Santa Maria de la Mar fahren lassen, wenn wir die Räder die Treppe hochbekommen hätten.
Viel zu früh fahren wir wieder zum Bahnhof. Und ich verfluche innerlich, dass ich auf unserer Reise im letzten Jahr den Kofferpendelwurf erfunden habe. Eine Technik, ich weiß, es klingt etwas irrwitzig, bei der man den Koffer vor dem Einsteigen in den Zug so lange hin- und herschwingt, bis er einen quasi von selbst durch die Tür zieht. Meine italienischen Reisefreunde bestehen nun darauf, den Kofferpendelwurf bei jedem Einsteigen in den Zug zu praktizieren und Soledad hat es darin zur Meisterschaft gebracht. Da mein Koffer der größte ist (ich bin ja auch nicht klein) habe ich mir allerdings beim Pendeln gestern eine Zerrung am rechten Arm geholt. Mein linker ist ohnehin lädiert, seit ich im Schlafwagen von Kiew nach Krakau in unnatürlicher Sitzhaltung meinen Blogeintrag tippte, und Schmerzen im linken Bein hatte ich schon nach dem Trip im Schlafwagen Moskau-Kiew. Eigentlich kein Wunder, dass mir seit Fahrradfahren heute auch noch das rechte Bein weh tut.
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