Der russische Verbraucher entdeckt den Whisky. Foto: Ruslan Suchuschin
Fachhändler für Spirituosen meinen einen langsamen, aber merklichen Wandel in den Trinkgewohnheiten der Russen beobachten zu können: Der Trend geht weg vom traditionellen Wodka, serviert mit Hering, hin zum elegant genippten schottischen Whisky mit seinen rauchigen Aromen.
„Der Import von Gin und Tequila ist sinkend, von Cognac gleichbleibend, nur die Importzahlen von Whisky steigen stetig an. Whisky war die einzige Spirituose, die auch während der Krise gut verkauft wurde, inzwischen macht er etwa zwei Drittel des Gesamtimports von Spirituosen aus“, erklärt Jerkin Tusmuchamedow, führender Sommelier und Russlands größter Whiskyfan.
„Wer im Spirituosengeschäft tätig ist, weiß bereits seit geraumer Zeit, dass sich Whisky in Russland schon immer gut verkaufen ließ“, meint Ludovic Ducrocq, ein altgedienter internationaler Botschafter für Grant's Whisky, der Russland alle paar Jahre einen Besuch abstattet. „Ich stelle fest, dass Länder mit einer ausgeprägten Destillationsgeschichte gewöhnlich empfänglicher für schottischen Whisky sind, und auf Russland trifft dies in besonderem Maße zu“, teilt er der Redaktion von The Moscow Times per E-Mail mit.
Russland ist weltweit der größte Markt für Spirituosen
Allerdings ist es noch ein langer Weg, bis die Vorherrschaft von Wodka tatsächlich infrage gestellt werden könnte.
Die Russische Föderation verfügt über den größten Spirituosenmarkt der Welt – nach Angaben der Scotch Whisky Association in Edinburgh wurden im Jahr 2009 275 Millionen Kästen mit je neun Litern Spirituosen konsumiert.
Nur 11,6 Millionen dieser Kästen oder 4,2 Prozent enthielten ausländische hochprozentige Getränke, 229 Millionen Kästen hingegen Wodka aus heimischer Produktion.
Bei den Exporten aus Schottland belege Russland laut Scotch Whisky Association nach dem Verkaufswert nur Rang 32 – die Direktimporte für Whisky beliefen sich auf eine Summe von 19 Millionen Pfund (21 Millionen Euro). Der Gesamtanteil in der Russischen Föderation von Schottischem Whisky mache 0,5 Prozent aus.
„In den vergangenen zehn Jahren ist der Umsatz von importierten Spirituosen um das 40-Fache gestiegen“, erklärt Wadim Dobris vom Russischen Zentrum für regionale und föderale Studien zum Alkoholmarkt. Dies stehe in engem Zusammenhang mit dem relativen Anstieg der Einkommen in dieser Zeitspanne und der Herausbildung einer breiteren Mittelschicht.
Dennoch können sich den hochwertigen schottischen Whisky nur wenige leisten. „Soll eine Spirituose ein echtes Volksgetränk sein, darf der Verkaufspreis keinesfalls über 200 Rubel (etwa fünf Euro) pro 0,7-Liter-Flasche liegen“, meint Dobris, „in russischen Geschäften werden Sie aber keinen noch so einfachen Whisky unter 350 Rubel finden.“
„Mir ist es nie darum gegangen, die Leute unbedingt dazu anzuhalten, Grant's Blended Scotch Whisky zu trinken und ihr Nationalgetränk Wodka nicht mehr anzurühren. Jede der beiden Spirituosen hat ihre Zeit und ihre besondere Gelegenheit“, erklärt Ludovic Ducrocq von Grant's.
Der russische Markt ähnelt heute in vielerlei Hinsicht denen in anderen Teilen der Welt. Der amerikanische Whisky ist auf dem Rückzug, der traditionelle Scottish Malt Whisky steht hoch im Kurs. Den Single Malt Whisky aus einer einzigen Brennerei, dessen Getreidebasis ausschließlich aus gemälzter Gerste besteht, können sich die wenigsten leisten. Beliebt sind deshalb die Verschnitte mehrerer Whiskysorten.
Die ungekürzte Version dieses Artikels erschien zuerst in The Moscow Times.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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