Bologneser Rezepte für die Bildung

Vorlesung an der Moskauer Lomonossow-Uni: Statt mündlichen Prüfungen jagen Studenten bald nach Credits.Foto: Photoxpress

Vorlesung an der Moskauer Lomonossow-Uni: Statt mündlichen Prüfungen jagen Studenten bald nach Credits.Foto: Photoxpress

Knappe Mittel, frustrierte Professoren und international nicht anerkannte Abschlüsse. Können Elite-Unis, Bachelor und Master frischen Wind in die russische Bildung bringen?

Studenten aus der Russischen Föderation haben es nicht leicht. „Wenn ein Russe sich an einer deutschen Universität immatrikulieren will, muss er bereits zwei Semester in seiner Heimat studiert oder ein russisches Studienkolleg besucht haben“, erklärt die in Deutschland lebende Russin Julia Kolbrig.

Russische Abiturienten haben praktisch keine Chance, sich 
direkt nach der Schule an einer ausländischen Universität einzuschreiben. Einen Vertrag zwischen Russland und der EU über die Anerkennung von Schulzeugnissen gibt es bislang nicht, die elfjährige russische Schulausbildung scheint nicht kompatibel mit der zwölfjährigen in Europa.

Russische Diplome werden im Ausland nicht anerkannt

Junge russische Hochschulabsolventen, die im Ausland arbeiten möchten, sehen sich mit einem weiteren Problem konfrontiert: Auch die Abschlüsse an russischen Universitäten werden im Westen praktisch nicht anerkannt. Am schlechtesten sieht es in der 
Medizin aus, gut hingegen bei 
Diplomen im mathematischen und ingenieurstechnischen Bereich – hier bilden viele russische Hochschulen erstklassige Absolventen mit einem breiten Profil aus.

Im internationalen Vergleich schneiden russische Universitäten schlecht ab: Auf der Liste der 200 weltbesten Universitäten im Times Higher Education Index (THI) von 2010 findet sich keine einzige aus der Russischen Föderation.

Ein Grund ist ihre noch immer angespannte finanzielle Lage. Die Arbeit an Universitäten ist nicht sehr angesehen - ein promovierter Dozent verdient im Monat etwa 500 Euro, ein habilitierter Professor 800 Euro. Nur die allerbesten Studenten können mit einem 
Stipendium rechnen - 37 Euro im Monat.

Anpassung an Bologna


Eine bedenkliche Folge des 
Niedergangs im Universitätswesen ist die Korruption. Viele russische Studenten beklagen, dass Bestechung in ihrem Ausbildungssystem ganz normal sei. „Es gibt sogar inoffizielle Preislisten, manchmal kaufen Studenten ihren Professoren wertvolle Geschenke und bestehen danach die Prüfung“, sagt Julia Genkina, die vom Smolny-Institut in Sankt Petersburg ans Bard College in New York wechselte.

Um international wettbewerbsfähig zu werden, passen sich die russischen Universitäten an den Bologna-Prozess an, das heißt, die Studiengänge werden auf das in Europa übliche zweistufige System Bachelor und Master umgestellt. Hinzu kommen sieben neue „Eliteuniversitäten“, die jährlich mit 755 Millionen Euro subventioniert werden. In den meisten Fällen wurden dazu mehrere kleinere Universitäten zusammengelegt. Auf dieser Grundlage sollen konkurrenzfähige Forschungszentren entstehen. Zwei der Eliteuniversitäten, die Südliche Föderale Universität und die Sibirische Föderale Universität, wurden bereits 2006 genehmigt und öffneten ihre Tore im darauffolgenden Jahr mit einem Budget von je 75 Millionen Euro. Fünf weitere föderale Universitäten in anderen Regionen wurden 2009 genehmigt.

Die Regierung hofft, damit vor allem die Naturwissenschaften auf ein internationales Niveau zu heben und die länderübergreifende Kooperation in Wissenschaft und Forschung zu fördern. Zurzeit erarbeiten die Universitäten Abkommen, in denen ein Verfahren zur gegenseitigen Akkreditierung festgelegt wird. Europäische Kommissionen sollen dann vor Ort die Qualität der Studienprogramme überprüfen.

Aufgrund des hohen Budgets an den Eliteuniversitäten sind Bildungsexperten vorsichtig optimistisch, was deren Chancen im globalen Wettbewerb betrifft. Das sei ein positiver erster Schritt und spiegele den internationalen Trend zur Hierarchisierung von Bildung wider, sagt Igor Fedjukin, Leiter für empirische Forschungen an der Neuen Wirtschaftsschule Moskau. „Einige wenige Universitäten machen wir zu Vorzeigeinstitutionen, doch was passiert mit den anderen? Sie werden dem 
internationalen Wettbewerb kaum gewachsen sein.“

Alexander Kolesnitschenko schreibt für die Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta.

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