Jörg Rathmann. Foto: german.ruvr.ru
Im Grunde genommen hat ihn Lew Tolstoi sein ganzes bisheriges Leben begleitet. Das Elternhaus des 42-jährigen Jörg Rathmann in Bernburg befand sich bezeichnenderweise in der Tolstoiallee 25. Von Sachsen-Anhalt aus zog er weiter nach Dresden und ins russische Kaluga, um dort Slawistik, Geographie und Philosophie zu studieren.
Auf den Spuren eines großen Dichters
Seitdem wandelt Rathmann auf den Spuren des berühmten Lew Tolstoi, ganz als wolle er dessen Anna Karenina persönlich finden. Von 2004 bis 2008 half er als Entwicklungsexperte beim Ausbau des Tolstoischen Landsitzes Jasnaja Poljana zum Museum und einer Gedenkstätte. Anderweitig arbeitet Rathmann auch als Wirtschaftsberater in Kaluga.
Im Geburtsort Tolstois, an einer wie für ihn geschaffenen Wirkungsstätte, führte Rathmann einprägsame und nachhaltige Gespräche mit dem Museumsleiter – dem Ururenkel des Dichters, Wladimir Tolstoi. Und er sah sich aufmerksam in seiner Umgebung um.Seine Erfahrungen, die Jörg Rathmann in und um Jasnaja Poljana sammelte, hat er liebevoll in einem Buch verarbeitet, das bezeichnenderweise den Titel Tolstoiallee 25 trägt. Geschichten aus dem russischen Alltag und der Begegnung zweier Welten. Kurzgeschichten um kleine Absurditäten und große Emotionen.
Andre von Melöchin, ein „Musiker, der Grenzen sprengt und Neues schafft", wie er es bezeichnet, wurde 1968 in Murom am „Goldenen Ring" geboren. Er wird diesen Abend mit seinem romantischen bis furiosen Klavierspiel untermalen. Der Autodidakt von Melöchin und Jörg Rathmann trafen sich 1990 in Kaluga und sind seitdem dicke Freunde.Ein Jahr später besuchten die beiden zusammen erstmals Jasnaja Poljana. Damals noch auf Schusters Rappen. Danach wurde Andre von Melöchin eingebürgerter Deutscher und kam lange Zeit nicht mehr in seine Heimat zurück. 13 Jahre nach ihrer letzten Begegnung sollten sich die zwei wiedersehen, natürlich nirgendwo anders als in Jasnaja Poljana.
Inzwischen verstehen sich Jörg Rathmann und Andre von Melöchin als Brückenbauer und Kulturbotschafter zwischen Ost und West. So zärtlich wie die Improvisationen am Klavier die Texte des Autors umschmeicheln, so deutlich sieht man sich in das Leben der russischen Provinz versetzt. Auch als Deutscher.
Geschichten die das Leben schreibt
Die 25 Kurzgeschichten aus Jasnaja Poljana lassen den Ort zum Leben erwachen. Gründlich beschreibt Rathmann die Erfahrungen eines Deutschen, der in Russland lebt. Geschrieben mit Liebe, Humor aber auch der notwendigen Portion Ironie. Dennoch, es ist wohlgesonnener Wortwitz, wenn der Autor zur spitzen Zunge greift.Beim Lesen von Jörg Rathmanns Geschichten bekommt der Unbedarfte zweifelsohne einen rücksichtsvollen und liebenswerten Einblick in ein interessantes Land. Und erfährt nebenher gleich, wie man russische Mädchen korrekt anspricht oder aber auch, warum der Autor nie mehr an einem russischen Tai-Chi-Kurs teilnehmen wird.
Veranstaltet wird die Lesung vom Deutsch-Russischen Forum in Berlin. Die Begrüßung zum Auftakt des Abends übernimmt niemand geringeres als Graf Wladimir Tolstoi höchstdarselbst – der, genau, Ururenkel des Dichterfürsten Tolstoi.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Russland-Aktuell.
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