Fragwürdige Organisation soll Putin den Rücken stärken

Russlands Regierungschef Wladimir Putin bei der ersten Sitzung des Koordinierungsrates des ANF. Foto: ITAR-TASS

Russlands Regierungschef Wladimir Putin bei der ersten Sitzung des Koordinierungsrates des ANF. Foto: ITAR-TASS

Im Vorgriff auf die Parlamentswahlen im Dezember hat der russische Premierminister Wladimir Putin die „Allrussische Nationale Front“ gegründet. Die Organisation scheint als Unterstützung angesichts des nachlassenden Rückhalts für die Partei „Einiges Russland“ gedacht zu sein. Doch ob das hilft, bleibt fraglich.

Als Putin am 6. Mai die „Alltrussische Nationale Front“ vorstellte, schlossen sich sofort hunderte Organisationen mit Millionen von Mitgliedern an. Ziel dieser Front ist es, gesellschaftliche Vereinigungen − etwa Handelskonzerne, Verbände, Jugend- und Freiwilligenorganisationen – zusammenzuführen. „Mit der Gründung der ‚Allrussischen Nationalen Front’ zielt Wladimir Putin darauf ab, das Regierungssystem zu erhalten, das Mitte des letzten Jahrzehnts eingeführt worden ist; und einer der Eckpfeiler ist die qualifizierte Mehrheit der Partei ‚Einiges Russland’ in der Duma“, meint der Analyst Wladimir Slatinov. Nach jüngsten Meinungsumfragen schwindet jedoch die Unterstützung für die Putin-Partei. „Deshalb wurde diese neue politische Kraft geschaffen, um jede etwaige Störung des Systems zu verhindern.“

Die Russische Agrarbewegung beispielsweise brachte 38 Millionen angebliche Mitglieder in die Organisation ein. Doch Putin drängte auch staatliche und private Unternehmen, dort Zellen der „Allrussischen Nationalen Front“ zu gründen. Zahlreiche Unternehmen unterzeichneten für ihre Angestellten − in vielen Fällen, ohne diese zu fragen.

Unfreiwillige Mitglieder

Kritiker sind daher der Meinung, dass die Mitgliedslisten der Front eher mit Söldnern und Unfreiwilligen als mit selbstmotivierten Menschen gespickt sind. Sie vergleichen die rasch anwachsenden Listen der Front mit der der Kommunistischen Partei der Sowjet-Ära, als Millionen von Menschen die Mitgliedschaft als Voraussetzung für ihren persönlichen Fortschritt und Erfolg ansahen. Das einzige Kriterium für eine Mitgliedschaft ist die Übereinstimmung mit Putins Ideen und seiner Unterstützer-Partei „Einiges Russland“. Im ganzen Land hatte der Premier Wahlkampfreden gehalten und die Werbetrommel für die neue Organisation gerührt, während sich Präsident Dimitri Medwedew im Hinblick auf die Front eindeutig zurückhaltend verhielt.

Politische Analysten rätseln nach wie vor über die tatsächliche Rolle der Front als politische Kraft. Wie ist die Organisation strukturiert, wer sind ihre Anführer, und wie wird sie ihre bunt gemischten Mitglieder mobilisieren? All das sind Fragen, auf die präzise Antworten noch fehlen. Auch der rechtliche Status der Organisation ist ungeklärt. Es handelt sich weder um eine politische Partei noch um eine regierungsunabhängige Organisation, obwohl sie Elemente von beidem in sich vereint.

Dennoch erklärte „Einiges Russland“, die Angehörigen der Front politisch bilden zu wollen. Die Partei wird Veranstaltungen anbieten, um über zukünftige Entwicklungen in Russland zu diskutieren. Front-Mitglieder werden das Recht haben, ihre eigenen Initiativen zu präsentieren, über Haushaltspläne zu debattieren und sogar als Kandidaten von „Einiges Russland“ in die Duma, der Volkskammer des russischen Parlaments, gewählt zu werden.

Schuss nach hinten

Für politische Beobachter gibt es keinen Zweifel daran, dass dies ein wahltaktischer Schachzug ist. Ob die Front den gewünschten Erfolg bringen kann bleibt aber fraglich. Denn noch ist die „Allrussische Nationale Front“ Meinungsumfragen zufolge weder sehr bekannt noch beliebt. Das russische Meinungsforschungsinstitut VCIOM fand heraus, dass jeder zweite Befragte noch nie von dieser Organisation gehört hat, während von den anderen lediglich ein Drittel erklärte, sie würden Kandidaten der Front unterstützen. Auch Gleb Pavlovsky, Leiter der Stiftung für effektive Politik, ist der Ansicht, dass die Front möglicherweise ihrer Aufgabe nicht gewachsen sein wird. „Wladimir Putins Projekt hat eine Zweiteilung in den Köpfen der Wähler von ‚Einiges Russland’ ausgelöst: Die konservative, gemäßigte Wählerschaft kann nicht für zwei Parteien gleichzeitig ihre Stimme abgeben“, so Pavlovsky. Letztlich habe das tatsächlich zu so etwas wie einer Imagekrise für die Regierungspartei geführt. „Diese bietet dem Wähler nun drei verschiedene Marken: ‚Putin’, ‚Einiges Russland’ und die ‚Allrussische Nationale Front’.“ So geht der Schuss möglicherweise nach hinten los.

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