Deutsch-Russische Zusammenarbeit in Wissenschaft und Wirtschaft

Die Lasertechnik ist nicht mehr wegzudenken: Im Labor für Lasermesstechnik des Instituts für Bildverarbeitung in Samara experimentiert man an 3D-Messverfahren. Foto: RIA Novosti

Die Lasertechnik ist nicht mehr wegzudenken: Im Labor für Lasermesstechnik des Instituts für Bildverarbeitung in Samara experimentiert man an 3D-Messverfahren. Foto: RIA Novosti

Nach Höhen und Tiefen der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland erleben Forschung und Innovation im gemeinsamen Miteinander einen neuen Aufschwung. Der zweite Teil dieser kleinen Artikelserie nennt Beispiele erfolgreicher Zusammenarbeit.

In Russland hat sich nach dem verheerenden Brain Drain der 1990er Jahre das Blatt gewendet: Russische Wissenschaftler und Forscher, die im Westen erfolgreich waren, kehren wieder in die Heimat zurück. Die Zahl der Studenten hat sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt, obwohl für die Hälfte der Studienplätze Gebühren erhoben werden. Die Forschung erfährt zunehmend staatliche Förderung durch die Regierung, indem Gewinne russischer Öl- und Gasexporte mit Vorrang in Bildung, Innovation und Modernisierung der Wirtschaft fließen. Auf das Zehnfache erhöhte sich das Staatsbudget für Forschung und Technologie gegenüber der Zeit vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion.

Rolle Deutschlands

Das geeinte Deutschland hat "wegen seiner industriellen Stärke die natürliche Modernisierungspartnerschaft gegenüber der russischen Industrie übernommen", so beschrieb Klaus Mangold, ehemaliger Vorsitzender des  Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, die heutigen Ziele der wirtschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit. Im Jahr 2010 haben deutsche Unternehmen in Russland rund 2,5 Milliarden Euro mehr investiert als im Vorjahr. Über 6.100 deutsche Unternehmen sind mit Tochterfirmen oder Repräsentanzen vertreten. Diese starke Position will die deutsche Wirtschaft nutzen, um bei den in Russland geplanten Großprojekten gehörig zum Zug zu kommen.

„Allein die Investitionen für die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 werden auf 50 Mrd. US-Dollar (35 Mrd. Euro) geschätzt. Auch Projekte wie die Olympischen Spiele in Sotschi 2014 oder der Bau einer Formel-1-Rennstrecke am Schwarzen Meer werden dem Land einen Modernisierungsschub geben“, gibt sich Eckhard Cordes, Mangolds Nachfolger beim Ost-Ausschuss, überzeugt. Er plädiert auch für eine weitere Intensivierung der wirtschaftlichen und technologischen Kooperationen „in den industriellen Kernbereichen der russischen Wirtschaft“ und nennt Energiewirtschaft, Automobilindustrie, Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft. Für einen Schlüsselbereich wie die Automobilindustrie wäre beispielsweise eine spürbare Verbesserung des anwendungsnahen Innovations- und Technologietransfers innerhalb des Landes sowie in der länderübergreifenden Kooperation enorm wichtig. Die Deutschen schlagen deswegen vor, das Modell der erfolgreichen Fraunhofer-Gesellschaft auf Russland zu übertragen. Beim Aufbau des Innovations-Clusters Skolkowo bei Moskau, in den die russische Regierung über drei Milliarden Euro investieren will, wollen deutsche Forschung und Wirtschaft kräftig mitmischen und „deutsche Flagge zeigen“.

SkolkowoDas Innovationszentrum Skolkowo, 2009 ins Leben gerufen, ist das Aushängeschild der russischen 
Modernisierungsagenda. Foto:ITAR-TASS

Weit gediehen ist die Zusammenarbeit auch im Bereich Erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz. Vielversprechende Ergebnisse lieferte die gemeinsame russisch-deutsche Energieagentur RUDEA. Hier gibt es künftig noch deutlich mehr zu tun, da in beiden Ländern durch die Natur- und Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima ein Umdenken eingesetzt hat und verstärkt nach alternativen und nachhaltigen Energiequellen und -anwendungen gesucht wird.

Nutzung des Potentials

Die jungen russischen Wissenschaftler, die nun aus dem Ausland zurückkommen, brächten nicht nur exzellente Expertise, sondern auch hervorragende Managementeigenschaften mit, sagt Ronald Sruka vom Münchner LIFE-Zentrum, der in der Krebsforschung mit russischen Partnern kooperiert. „Sie ergänzen die alten Hasen, die zwar fachlich brillant sind, aber kommunikativ im Abseits stehen, weil sie nicht über die nötigen Englischkenntnisse verfügen“, so Sruka. In dieser Mischung offenbare sich eine hohe und breite Qualität der Forschung vor Ort, deren Potenziale es in der Kooperation zu heben gälte. Als größte Überraschung macht Sruka das fehlende Selbstvertrauen auf die eigenen Ergebnisse und Produkte aus: "Aufgrund ihrer gebrochenen Historie vertrauen sie Westprodukten mehr als ihren eigenen, obwohl diese besser sind." Darin würden sie auch von oberflächlich urteilenden Leuten aus dem Westen bestärkt. Doch Sruka sieht das als Chance: "Wir zertifizieren die russischen Substanzen im Westen, damit die russischen Originale als anerkannter Reimport nach Russland kommen. Dadurch helfen wir ihnen und uns." Notwendig sei eine offene und faire Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe, die sich nicht davon leiten lässt, den anderen zu übertölpeln.

Die Münchner wissen auch, wie schwer es ist, im Antragsverfahren Forschungsgelder zu gewinnen und sind immer wieder überrascht, wenn sich auf russischer Seite unvermutet große Pforten auftun, aus denen die Rubel nur so rollen. Ganz zweifellos ein Resultat der neuen Förderung von Wissenschaft und Innovation durch die russische Regierung, die einen klaren Kurs zur umfassenden wirtschaftlichen Modernisierung verfolgt.

Forderungen an die russische Industrie

Als am 31. Mai 2011 in Moskau die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer, der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und der russische Unternehmerverband „OPORA" zur 4. Deutsch-Russischen Mittelstandskonferenz zusammenkamen, wurden nicht nur Lobeshymnen gesungen, sonder auch wieder die Forderungen laut, die potenziellen deutschen Investoren seit Jahren auf der Seele liegen: Notwendig seien verlässliche Rahmenbedingungen für die ausländischen Kooperationspartner in Russland, ganz gleich, ob sie aus Wissenschaft oder Industrie kommen. Dazu gehören der Schutz des Eigentums und bereits getätigter Investitionen, die Einhaltung vereinbarter Rahmen- und Vertragsbedingungen sowie die Gleichbehandlung mit Inländern in Russland. Reformbedarf sehen deutsche Unternehmen beim weiteren Abbau von Bürokratie, bei der Beschleunigung von Zollverfahren und bei der Mittelstandsförderung im Allgemeinen. Aus der Arbeit der russischen Entwicklungsbank (VEB) zur Förderung mittelständischer Investitionen in Kooperation mir der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) versprechen sich die Investoren zunehmende Impulse, wie auch vom WTO-Beitritt Russlands sowie dem Zustandekommen des visafreien Verkehrs zwischen Russland und dem Schengen-Raum.

Damit könnte Russland seine Stellung als einer der innovativsten, aussichtsreichsten Wachstumsmärkte sowie als wichtiger Akteur im globalen Weltmarkt langfristig sichern. Das "Deutsch-Russische Jahr der Bildung, Wissenschaft und Innovation 2011/2012" wird dazu beitragen.

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