Altes Eisen schon mit 40

Mit 40 schon alt. Foto: PhotoXPress

Mit 40 schon alt. Foto: PhotoXPress

Schon mit 40 Jahren enden in Russland die Chancen für Berufstätige auf dem Arbeitsmarkt. Selbst Führungspositionen werden meist mit Personen unter 40 Jahren besetzt.

„Gesucht: Generaldirektor – bis 40 Jahre; Leiter der Verkaufsabteilung – bis 35 Jahre; Office-Manager – bis 30 Jahre…“ Derartige Anzeigen finden sich zuhauf auf dem Rekrutierungsportal Superjob.ru. Ganze 54% der Stellenangebote enthalten Einschränkungen zum Bewerbungsalter. Bei Rabota.ru, einem weiteren Jobportal, werde sogar in 75% der Fälle das Wunschalter der Kandidaten angegeben, so Projektleiterin Jewgenija Schatilowa. Doch selbst wenn keine Einschränkung angegeben ist: dieses Kriterium ist in den meisten Fällen ausschlaggebend.

„Ich verfüge über drei Hochschulabschlüsse – in Pädagogik, Jurisprudenz und Verwaltungswesen. Seit 2002 war ich als Personaldirektorin im Einsatz und ich habe mich während meines Berufslebens ständig weitergebildet“, sagt Ljudmila F. Auf der Suche nach einer neuen Stelle hatte sie sich auf 34 offene Stellen beworben und dabei auf die Angabe ihres Alters verzichtet. Daraufhin zeigten sich 19 Arbeitgeber interessiert – doch 14 von ihnen widerriefen ihr Interesse mit Verweis auf Altersbeschränkungen im Unternehmen, nachdem sie erfuhren, dass Ljudmila F. 55 Jahre alt ist.

„Persönliche Unreife der jüngeren Führungskräfte“

Hauptursache für die Ablehnungen sei allerdings nicht der scheinbare Mangel an Fachwissen von Fachkräften, die die Altersgrenze von 45 Jahren überschritten haben, so Olga Rybakowa, Projektleiterin des Rekrutierungsunternehmens Consort Group. Sie sieht den Anlass für die Nichtberücksichtigung von Älteren vielmehr in der persönlichen Unreife der jungen Führungskräfte, die sich vor älteren Kollegen fürchten: „Sie wissen nicht, wie sie mit diesen umgehen sollen und werfen die berufliche Tätigkeit in einen Topf mit den eigenen ungelösten Konflikten mit den Eltern. Deshalb erscheint ihnen der Umgang mit Personen, die jünger als sie selbst sind, einfacher.“

Doch die Rekruter erhalten in der Regel auch konkrete Vorgaben von ihren Auftraggebern und laden daher ältere Arbeitsuchende gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch ein. Darüber hinaus gibt es im Segment des mittleren und höheren Managements sowie für qualifizierte Fachkräfte nicht viele Vakanzen für Personen, die älter als 45 Jahre alt sind, sagt der leitenden Direktor des Rekrutierungsunternehmens Antal Russia Michael Germershausen. Und falls doch, so handelt es sich dabei um Positionen, die keine Aufstiegsmöglichkeiten bieten. „Arbeitgeber bevorzugen gewöhnlich junge Fachkräfte“, berichtet Germershausen. Die Hauptgründe dafür seien bei den Problemen der älteren Generation zu suchen – unzureichende Kenntnisse über die moderne Wirtschaft, geringe Fremdsprachenkenntnisse sowie Anpassungsschwierigkeiten an die Prinzipien des modernen Managements. „Daher liegt die stillschweigende Altersgrenze für Finanzfachleute auf der mittleren Ebene bei 35 - 38 Jahren. Man geht ganz einfach davon aus, dass bei einem Kandidaten, der um die 40 und noch immer kein Finanzdirektor geworden ist, irgendetwas nicht stimmt – entweder tritt er nicht professionell genug auf oder er ist nicht ausreichend ambitioniert“, so Germershausen.

Die Personaldirektorin der Finanzgruppe BKS, Olga Sawosko, glaubt jedoch, dass „über 50-Jährige durchaus eine gute Arbeit finden können, wenn sie auf eine erfolgreiche Karriere verweisen können, wenn sie reale Errungenschaften vorzuweisen haben und Top-Positionen bei bekannten Unternehmen innehatten. Ansonsten sind die Chancen auf eine angemessene Anstellung auf dem freien Markt jedoch äußerst gering. In diesem Alter erfolgen Anstellungen vorrangig über Empfehlungen.“

Deutschland und Japan bevorzugen Ältere


Die Vorteile, die Lebens- und Berufserfahrung mit sich bringen können, scheinen keine Rolle zu spielen. Dies steht im starken Kontrast zu anderen Ländern. „Das Management ausländischer Unternehmen, insbesondere deutscher und japanischer Firmen, bevorzugt ältere Kandidaten“, berichtet Michael Germershausen. So hat ein internationales Unternehmen sogar eine Altersgrenze für den Posten des Justiziars eingeführt, jedoch mit umgekehrten Vorzeichen: er darf nicht jünger als 36 Jahre sein, obwohl bei anderen Unternehmen in entsprechender Position bereits 29-Jährige im Einsatz sind. Nur bei wenigen Berufsgruppen wie Ärzten, Lehrern und Ingenieuren wird eine gewisse Reife geschätzt.

Doch gerade der Wiedereinstieg gestaltet sich für Ältere extrem schwierig. Wer mit 35 Jahren noch immer keine Führungsposition innehat verliert meist sämtliche Perspektiven für die Zukunft. Nach Angaben von Superjob.ru steigt das Durchschnittseinkommen der verschiedenen Altersgruppen mit dem Alter permanent an und erreicht mit ungefähr 40 Jahren seinen Höhepunkt. Danach steigt das Einkommen nicht weiter, in einigen Bereichen sinkt es sogar wieder.

Wenn folglich die Strukturen der russischen Wirtschaft und die darin geltenden Prioritäten unverändert fortbestehen, werden auch die heute 30-Jährigen in Zukunft vor dieselben Probleme gestellt werden.  Nämlich dann, wenn sie in 10 bis 15 Jahren von ihren Altersgenossen in der Wirtschaft zu hören bekommen: „Wir sind ein junges Team – Sie passen nicht zu uns.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Tageszeitung Kommersant.   

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