Photos from www.the-village.ru
Am Aeroexpress Terminal im Internationalen Flughafen Moskau-Scheremetjewo konnte vor kurzem eine neuartige Konstruktion inspiziert werden. Viele Fluggäste drängten sich, um einen Blick nach innen zu erhaschen. Von außen lässt sich der Sinn der kabinenartigen Vorrichtung nämlich nicht erschließen. Erst der Blick ins Innere verrät den Zweck – es handelt sich um eine Art mobiles Hotelzimmer. Es gibt zwei Betten, die wie Liegeplätze in einem Schlafwagen angeordnet sind. Entworfen wurde die „Schlafbox“ genannte Ruhezone für Passagiere, die auf verspätete Flüge warten müssen oder einfach nur ein bisschen ungestört sein wollen. Doch bis jetzt sind sie noch nicht in Betrieb, und niemand weiß, wann es soweit sein wird.
"Es handelt sich im Moment nur um ein Versuchsmodell. Wir hatten uns ja nicht vorgenommen, den ganzen Terminal sofort mit neuen mobilen Ruheplätzen zuzupflastern. Wie es weitergeht und ob wir das Projekt auf andere Flughäfen ausdehnen ist noch nicht geklärt", so Wadim Semikin, Pressesprecher des Aeroexpress Terminals. "Zunächst einmal wollten wir den Passagieren diese neue Idee nur vorstellen", erklärt Alexej Gorjainow, Initiator des Schlafbox-Projekts. Doch beim bloßen Vorstellen wird es wohl nicht bleiben. Bald sollen 30 weitere Boxen in einem Moskauer Hotel aufgestellt werden. Über den Einsatz an Bahn- und Busbahnhöfen wird auch schon nachgedacht.
Alles nur geklaut?
In vielen Ländern gibt es bereits solche Schlafboxen. Dennoch behaupten die Designer des Moskauer Schlafbox-Projekts, ihr Modell sei einzigartig. "Der wichtigste Unterschied zwischen unserem und den anderen Modellen ist, dass man die Schlafboxen direkt in den Flughafenfoyers aufstellen kann. Das ermöglicht den Flugreisenden, die durch die Passkontrolle gegangen sind und auf ihren Abflug warten, sich jederzeit zurückziehen und ausruhen zu können", so Gorjainow.
Am Aeroexpress Terminal von Scheremetjewo gibt es bereits ein so genanntes Kapselhotel. Es wurde 2009 eröffnet und hat Minisuiten aus jeweils einem Zimmer mit Nasszelle. Die Passagiere können stundenweise buchen, bei einem Minimum von 4 Stunden. Das billigste Zimmer kostet 1490 Rubel (36 Euro) pro Person, jede weitere Stunde schlägt mit 300 Rubel (7 Euro) zu Buche. Die Designer der Schlafbox sehen ihr Projekt aber im Vorteil. Zwar ist es ein klein wenig teurer, allerdings lassen sich die Rückzugszonen stundenweise mieten.
Die Pacht wird etwa 400 Rubel (10 Euro) pro Person und Stunde für eine Zweibettbox und 500 Rubel (12 Euro) für eine Einzelbox betragen. Und laut den Designern ist Erholung garantiert. Die Box hat zwei Liegeplätze in Form eines Stockbetts mit Bettlaken, die automatisch gewechselt werden, außerdem Klapptisch, Schubladen und Spiegel. Auch Klimaanlage, WLAN und Fernseher sollen integriert werden. Die Initiatoren behaupten, aufgrund der guten Schallisolierung werde es in den Schlafboxen ruhig genug sein, um sich ausruhen und entspannen zu können. Bei moderaten Preisen und angemessener Ausstattung scheint die Erholung ganz nahe zu sein. Doch nicht jeder teilt die Euphorie.
Schlafexperten zweifeln daran, dass die Boxen tatsächlich ein geeigneter Ort für erholsamen Schlaf ist. "Es ist bestimmt nicht so einfach, in einer dieser Boxen mitten in der Abflughalle eines Flughafens einzuschlafen", sagt Roman Bosunow, Direktor der Abteilung für Schlafmedizin am Barwicha-Sanatorium. Er ist der Ansicht, dass Passagiere, die auf ihren Flug warten, nur selten in der Lage sind, völlig zu entspannen. "Nur ein Mensch, der Nerven wie Drahtseile hat, könnte in diese Box steigen und einschlafen. Es ist schon lange her, dass mir hier so jemand begegnet ist."
Doch auch diese Theorie darf bezweifelt werden. In Osaka, Japan, hat bereits 1979 das erste Kapselhotel eröffnet und erfreut sich noch immer großer Beliebtheit, auch unter Normalsterblichen. Später übernahmen andere Länder das Konzept, und ähnliche Hotels eröffneten in Polen und China. Die britische Gesellschaft YO! ließ sich von der japanischen Geschäftsidee inspirieren und gründete eine Kette von so genannten "Yotels", die heute an den Londoner Flughäfen Heathrow und Gatwick sowie am Amsterdamer Flughafen Schiphol und am Times Square in New York operiert. Und dennoch beharren die Designer der russischen Boxen auf der Originalität ihres Projekts – und in der Tat, hinter der Passkontrolle hat man diese Ruhezonen bislang noch nirgendwo gesehen.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei der Tageszeitung Moskowskije Nowosti.
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