Erste Schwalbe auf dem Weg zum ökologischen Bauen

Anfang September wurde das erste LichtAktiv Haus Russlands eröffnet. Das Modellprojekt entstand auf der Grundlage europäischer Umweltstandards.

Der Begriff LichtAktiv Haus steht für das Bestreben, bei der Errichtung von Gebäuden Energieeffizienz, komfortables Wohnen und Schonung der Umwelt optimal in Einklang zu bringen. Das erste LichtAktiv Haus Russlands wurde von der dänischen VELUX Group in Zusammenarbeit mit dem russischen Unternehmen Sagorodny Proekt realisiert. Die zugrundegelegte Basisversion des Model Home 2020 testet VELUX bereits in sechs Varianten in verschiedenen europäischen Ländern. Durch Nutzung der vorhandenen Dokumentationen konnte das Musterhaus in nur sechs Monaten fertiggestellt werden.

Das Grundstück, auf dem das erste russische LichtAktiv Haus entstand, gehört zum 20 Kilometer von Moskau entfernten Erschließungsgebiet Sapadnaja Dolina, wo das Unternehmen Sagorodny Proekt auf einer Fläche von 82,7 Hektar einen neuen Vorort mit innovativer Bebauung plant. Hier sollen einmal 6 000 Menschen wohnen. Als LichtAktiv Haus konzipiert wurde jedoch lediglich ein einziges Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 230 Quadratmetern.

Der Prototyp der LichtAktiv-Architektur entstand gewissermaßen in Anlehnung an das russische Bauernhaus. Zum einen wurde als Baumaterial hauptsächlich Holz eingesetzt. Zum anderen besteht das Gebäude gleichfalls aus einem ganzheitlichen, kompakten Baukörper mit mehreren hervortretenden Elementen wie Terrasse, Balkon, Mansarde und Schornstein. Der Innenraum untergliedert sich in zwei Teile: das öffentlich zugängliche Erdgeschoss und den privaten Wohnbereich im Obergeschoss. Verglasungen in der Fassade sowie die Mansardenfenster vermitteln ein Gefühl von Weite und Offenheit.

Besonders hervorzuheben sind die energieeffizienten ingenieurtechnischen Lösungen. Warmwasserbereitung und Beheizung des LichtAktiv Hauses werden von einer Erdwärmepumpe sowie von Sonnenkollektoren gewährleistet. Ein 7,5 Meter langes Photovoltaik-Paneel auf der Südseite des Hauses soll die Grundlast der haustechnischen Systeme teilweise kompensieren. Eine intelligente natürliche Ventilation und automatischer Sonnenschutz senken die Kosten für die Kühlung des Gebäudes. Eine Wetterstation auf dem Dach sowie Sensoren in jedem Zimmer liefern Daten an Computersysteme, die automatisch ein optimales Wohnklima in sämtlichen Räumen einregulieren.

Ein Haus mit Herz für Ökologie

Die Realisierung des ersten russischen Musterhauses schlägt mit stolzen 28 Millionen Rubeln zu Buche, was mehr als 650 000 Euro entspricht. Dafür sind die Unterhaltungskosten für das Gebäude erfreulich niedrig. Nach vorläufigen Schätzungen kosten Warmwasserbereitung und Heizung jährlich 12 500 Rubel, also etwa 290 Euro. Vergleichsweise wäre die Nutzung von Gas doppelt so teuer, der Einsatz von Strom würde sogar 17fache Ausgaben verursachen. Wie hoch der Energieverbrauch des Hauses tatsächlich ist, lässt sich erst nach Einzug der fünfköpfigen Testfamilie feststellen. Das komplexe Datenmonitoring für das Binnen-Mikroklima und den Energieaufwand kann online im Internet abgerufen werden.

Während der ersten drei Monate nach Fertigstellung steht das Gebäude interessierten Besuchern offen. Jeder, der möchte, kann nach Sapadnaja Dolina kommen und das „kluge Haus“ besichtigen. Nach diesem Zeitraum zieht eine junge Testfamilie mit drei Kindern ein.

Auf der Pressekonferenz anlässlich der Eröffnung des Musterprojekts in Russland verglich Dmitri Aksjonow, Vorstandsvorsitzender des Unternehmens Sagorodny Proekt, das LichtAktiv Haus Modell mit einem Konzeptfahrzeug im Automobilbau. Nicht jeder könne sich ein solches Modell leisten, darin läge ohnehin nicht seine grundlegende Zweckbestimmung. Vielmehr ginge es darum, das Bewusstsein der Menschen zu verändern, Perspektiven auszuleuchten, neue Technologien und deren Vorzüge zu veranschaulichen.

Der Präsident des Verbandes der Architekten Russlands, Andrej Bokow, versicherte auf der Pressekonferenz, er werde den Bau von Muster-Ökohäusern in jeder Region des Landes mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln unterstützen, damit sich die Menschen selbst davon überzeugen könnten, was ökologisches Wohnen bedeute. Leider gäbe es heute in der Russischen Föderation keinerlei normative Basis, die Standards für Ökohäuser festschreibe, doch das werde sich bald ändern. „Wir beabsichtigen, im Laufe des nächsten Jahres in Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Organisationen sowie professionellen Bauträgern und Architekten einen Standard für den ökologischen Wohnungsbau in Russland zu erarbeiten“, stellte Bokow in Aussicht. Dabei erachtet es der Präsident des Architektenverbandes als nicht zweckdienlich, sich nach ausländischen Analogien zu richten, vielmehr plädiert er nachdrücklich für die Schaffung eigener russischer Normative.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Schöpfer des LichtAktiv Hauses gewiss nicht zufällig einen Ausspruch des visionären amerikanischen Architekten und Ingenieurs Richard Buckminster Fuller zu ihrem Leitmotiv erkoren haben. Hatte Fuller doch erklärt: „Man ändert nichts, indem man die bestehende Realität bekämpft. Um etwas zu verändern, muss man ein neues Modell schaffen, das die bestehende Realität überflüssig macht.“

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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