Steve Jobs musste Apple 1985 verlassen. Verschiedener Umstände ließen die Unternehmensführung zu dem Schluss kommen, dass ihr Leben ohne ihn leichter wäre. Jobs ging nicht mit leeren Händen, sondern als millionenschwerer Mann mit einem Vermögen von nicht weniger als 150 Millionen Dollar. 10 Millionen investierte er in den Kauf des Unternehmens Graphics Group, das zu Lucasfilms, einem Filmproduktionsunternehmen des Star Wars Regisseurs George Lucas, gehörte. Der Legende nach sollen die Pixar Animations Studios entstanden sein, weil der berühmte Regisseur zu diesem Zeitpunkt dringend Geld für seine kostspielige Ehescheidung benötigte. So überließ Lucas Jobs das Unternehmen für 5 Millionen Dollar, weitere 5 Millionen investierte Jobs in seine Entwicklung. Graphics Group entwickelte und vertrieb damals Grafik-Arbeitsplätze, die Pixar Image Computer, die auf den Einsatz in Krankenhäusern und staatlichen Behörden zugeschnitten waren. Die Computer waren mit 135 Tausend Dollar recht teuer in der Anschaffung und verkauften sich schlecht. Da gestaltete ein Mitarbeiter des Unternehmens, John Lasseter, einen kurzen Animationsfilm, der die Möglichkeiten des neuen Computers demonstrieren sollte. Das Ergebnis war Luxo Jr., ein computeranimierter Kurzfilm über zwei Lampen, der in der Trickfilmszene für Furore sorgte.
Dieser Erfolg nimmt sich heute natürlich recht bescheiden aus. Graphics Group hat längst einen anderen Namen angenommen. Heute sind das die PixarAnimationsStudios und stellen schon viele Jahre keine Computer mehr her.
Der Erfolg des Trickfilms war ein schlagender Beweis für die Zukunftsträchtigkeit
dieses neuen Genres, der Computeranimation. Ende der 80er Jahre musste allein
die Idee, dass ein Computer dafür genutzt werden könnte, Trickfilme zu
produzieren, als abwegig erscheinen. Jobs wollte angeblich zunächst die neu
gegründete Animations-Abteilung des Unternehmens schließen und spielte gar 1994
mit dem Gedanken, das Unternehmen zu verkaufen, entschied sich dann aber doch anders.
Er wurde sich mit der Disney Company über die Distribution des ersten
abendfüllenden computeranimierten Filmes handelseinig.
Der Durchbruch der Computeranimation
1995 kam der Film Toy Story in die Kinos. Mit einem für einen Trickfilm unglaublich hohen Budget von 30 Millionen Dollar ausgestattet wurde Toy Story der erfolgreichste Film des Jahres und brachte im internationalen Verleih 358 Millionen Dollar ein.
Im Grunde liest sich alles
Weitere wie eine einzige Erfolgsstory. Zuerst der Erfolg von Pixar, danach der Erfolg weiterer in die
Computeranimation drängender Unternehmen. 1997 kehrte Jobs an die Spitze von Apple zurück, während Pixar mittlerweile auf eigenen Beinen stehend einen
Kassenschlager nach dem anderen produzierte.
Am Anfang des neuen Jahrtausends kam es zu einer Krise in der Beziehung
zwischen Pixar und Disney, die beinahe eine endgültige Entzweiung der beiden
Unternehmen herbeigeführt hätte. Für Zündstoff sorgte ein Passus des Vertrages,
demzufolge die Fortsetzungstitel der Trickfilme nicht unter die
Vertragsbedingungen fallen sollten. Diese sollten vielmehr billig produziert
werden und nicht in den Filmverleih kommen, sondern direkt als Videos
vertrieben werden. Während der Arbeiten an Toy Story 2 wurde allerdings klar, dass der Film dazu viel zu
hochwertig ist. Die Unternehmensführung von Disney willigte daher ein, ihn in
den Kinoverleih zu geben. Der Trickfilm brachte weltweit 484,9 Millionen Dollar ein.
2005 bekam die Disney Company mit Robert Iger einen neuen Geschäftsführer. Nach dem Erfolg des Zeichentrickfilms akzeptierte er die Bedingungen von Pixar und stimmte einer Transaktion zu, die auf eine Übernahme der Pixar-Aktien durch Disney zielte (die Summe dieses Geschäfts betrug 7,4 Milliarden Dollar). Jobs war fortan der größte einzelne Aktieninhaber von Disney-Aktien. Die Einnahmen durch Pixar Zeichentrickfilme in den Kinos haben seitdem die Marke von 7,2 Milliarden Dollar überstiegen, die Gewinne von Disney durch Nutzungsrechte an den Helden der Pixar-Trickfilme dürften Dutzende Milliarden erreicht haben.
Bei genauerer Betrachtung hat Jobs niemals Computercodes entwickelt, keine Chips
gelötet, keine Drehbücher erfunden und auch kein Storyboard zu abendfüllenden Trickfilmen
gezeichnet. Seine Leistung war es, Apple in die führende Computermarke eines
neuen Zeitalters und ein kleines Unternehmen, das einst Computer an
Krankenhäuser und Behörden verkaufte, zum Bahnbrecher in der Welt der
Animation, zum Unternehmen Pixar Studios, verwandelt zu haben. Jobs verstand es Potentiale dort
zu erkennen, wo andere sie noch nicht einmal suchten, und vermeintlich
Unvereinbares zusammenzuführen. Das war das große Talent von Steve Jobs: die
kreativen Aspekte der Technologie zu sehen und letztere in den Dienst der Kunst
zu stellen. Oder genauer gesagt, Leute zu finden, die das umsetzen konnten und
alles dafür zu tun, sie auf diesem Weg zu unterstützen.
Steve Jobs war eine Ikone für die Computeranimation und wird von Fans sogar als Graffiti dargestellt. Foto: Abode of Chaos
Nach Jobs triumphalem Einzug in die Disney Company als größter Aktieninhaber im Jahr 2006 erschien in der Business Week ein langer Artikel mit dem Titel „Das märchenhafte Königreich des Steve Jobs“. Der Artikel rankte sich hauptsächlich um Gerüchte, denen zufolge Jobs den Chefsessel der Disney Company einnehmen und Robert Iger aus selbigem verdrängen könnte. Dazu kam es nicht. Hätte Jobs die Führung des Unternehmens übernommen, wäre der Disney Company wahrscheinlich heute ein unerreichbarer Vorsprung gegenüber seinen Konkurrenten gewiss.
Von den vielen Verdiensten des Steve Jobs werden heute vor allem die
Entwicklung des Mac, des iPhone und des iPad gewürdigt, aber dieser Ruhm wird
nicht von langer Dauer sein. Es werden neue Gadgets auf den Markt kommen, die
auf die eine oder andere unerdenkliche Weise die Erfindungen von Apple in den
Schatten stellen. Das alles kann sein. Mit seiner Bedeutung für die
Unternehmensgeschichte von Pixar aber hat Jobs sich, wie mir scheint, für Jahrhunderte einen Platz in der
Geschichte gesichert.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei der Tageszeitung Moskowskije Nowosti.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland