Die Lern-Deutsch-Kampagne. Foto: Andrej Kutscherenko
Eine Kleinstadt umgeben von Hügeln in Südostsibirien. Sie hat wie alle anderen Städte Russlands typische Merkmale: Die Leninstraße, den Leninplatz und Cafes, mit dröhnender Musik aus den Neunzigern. Erbaut wurde Tschita von Architekten, die aus Sankt Petersburg wegen eines missglückten Putschversuchs nach Sibirien verbannt wurden (die Dekabristen). Durch ihre parallelen Straßen ist es eine sehr übersichtliche Stadt mit einer Vielzahl schöner, edler Gebäude. Und obwohl mir sämtliche Freunde im Voraus gesagt hatten, in Tschita könne man nichts anfangen, hatten wir drei sehr schöne Tage. Die Sonne schien und die Menschen waren freundlich und aufgeschlossen, so ließ sich die Abwesenheit des Internets sowohl im Hotel, als auch sonst fast überall in der Stadt besser ertragen.
Deutsche in Tschita und Einheimische
Deutsche sind in Tschita eine Seltenheit. Wahrscheinlich haben wir deswegen so viel Aufmerksamkeit erregt, als wir durch die Straßen gezogen sind. Ohne Zweifel: die ganze Stadt wusste Bescheid, dass wir da sind. Die Stars im Team mussten pausenlos vor der Kamera posieren. Wir einfachen Teammitglieder dagegen, konnten unbemerkt unsere Zeit in Tschita genießen. Beispielsweise im Stadtpark – dort kann man ganz wunderbar für Jungs typische Spiele spielen: auf Panzer klettern. Dort stehen nämlich sämtliche – nicht zuletzt der berühmte "T-34“ Panzer und der Raketenwerfer „Katjuscha“ . Außerdem: wer nie in der Sowjetunion war, kann dies noch in Tschita. Da gibt es eine ganze Reihe von kleinen „Stolowaja“ - Cafeterias, wie aus den guten alten Zeiten. Mit passender Musik, Tischdecken, Bedienung, und Essen – sehr nostalgisch. Vor allem mit Torsten, dem frisch gebackenen Robert-Bosch Lektor aus Tschita verbrachten wir wunderbare Stunden beim Essen des Nationalgerichts „Pozi“: Teigtaschen gefüllt mit Fleisch. Dazu Sauerrahm oder Majo. Leider hat das mein Magen nicht ausgehalten und nach „Pozi“ gabs nur noch Brei.
Besonderheiten
Nur 1000 Kilometer weiter - und für Russland ist das keine Entfernung – ist die chinesische Stadt Harbin. Deswegen waren in Tschita auch schon ziemlich viele in China und viele Chinesen waren in Tschita. Aus diesem Grund sind auf sämtlichen Aushängeschildern auf den Straßen nicht nur kyrillische, sondern auch chinesische Schriftzeichen. Außerdem lernen viele chinesisch. Die „Lern-Deutsch-Kampagne“ kam trotzdem gut an. Das lag wohl vor allem an den charismatischen Teammitgliedern.
Eine weitere kleine Besonderheit der Stadt Tschita sind ihre Fußgängerampeln. Die Roten bzw. grünen Ampelmännchen sind überdurchschnittlich groß. Es sind die größten Ampelmännchen, die ich bisher gesehen habe. Woran das liegt konnte ich bisher nicht herausfinden. Falls also jemand die Antwort weiß, immer heraus mit der Sprache!
Der Leninplatz
Grünes Straßenpflaster mit chinesischen Schriftzeichen, Lenin, der sich stolz in die Lüfte erhebt, und sämtliche soziale Schichten und Generationen in der Sonne, gemütlich ihre „semetschki“ (Sonnenblumenkerne) kauend – das ist der wichtigste Platz der Stadt: der Leninplatz. Dort verbrachten wir wunderbare Stunden. Matthias spielte Footbag, Jost rappte, wir anderen spielten Frisbee mit einem kleinen 5-jährigen Mädchen, das sich zu uns stellte. Später ging das kleine Mädchen – statt dessen kamen Jugendliche mit denen sich der Robert-Bosch-Lektor Torsten in Kommunikation übte: es waren die so genannten „gopniki“ (Proleten), um die es sich sonst empfiehlt einen weiten Bogen zu machen. Meine Mutter – als typisch russische, wie schon gesagt, - würde bei ihrem Anblick panisch die Hände über dem Gesicht zusammenschlagen und davon rennen. Ich persönlich fand die Gopniki in Tschita eigentlich ziemlich nett. Man muss sagen, dass sie in Moskau schon nahezu ausgestorben sind. Man trifft eher Officemanager, als echte Gopniki, wie aus den Neunzigern. Langsam ging die Sonne über der Stadt unter, der Leninplatz leerte sich.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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