DIe Machtverteilung ist noch offen

Foto: ITAR-TASS

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Einen Monat vor den Wahlen scheint die Regierungspartei „Einiges Russland” ihrer Zukunft entspannt entgegensehen zu können. Umfragen prognostizieren ihr eine überwältigende Mehrheit im Parlament, doch die Opposition schenkt dem wenig Glauben.

Jüngsten Umfragen zufolge will über die Hälfte der Russen auch dieses Mal für „Einiges Russland” stimmen, während auf die übrigen sechs kandidierenden Parteien 40-45% der prognostizierten Stimmen entfallen. Die Vertreter der Oppositionsparteien sind jedoch überzeugt, dass die „Partei der Macht” für ein vorzeigbares Wahlergebnis noch einige Überzeugungsarbeit leisten muss. Wie die letzte Erhebung des Forschungsinstitutes Lewada-Zentrum ergab, würden 60% der Russen für „Einiges Russland” stimmen, fände die Wahl in den nächsten Tagen statt. Eine analoge Umfrage des Allrussischen Zentrums für Meinungsforschung (WZIOM) kam auf 53,8% der Stimmen für „Einiges Russland”.

Andrej Isajew, erster stellvertretender Sekretär des Parteipräsidiums von „Einiges Russland”, glaubt, dass die Mehrheit der Wähler die Partei in erster Linie deshalb unterstützt, weil sie eine Stabilität sucht, die es ihr erlaubt, verlässliche Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln. „Die Opposition strebt einen grundlegenden Wandel des politischen Systems in Russland an. Aber wer wird dir dann noch garantieren, dass du zum Beispiel in der Lage sein wirst, deinen Immobilienkredit oder dein Auto abzuzahlen?”, so Isajew.

Sergej Obuchow, Sekretär im ZK der KPRF, ist indessen überzeugt, dass die Regierungspartei heute nicht nur die konstitutionelle Mehrheit im Parlament, sondern sogar die einfache Mehrheit verfehlen könnte. Diese Auffassung teilt auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von „Gerechtes Russland” in der Staatsduma Gennadi Gudkow. Er bezeichnet sogar die jüngsten, vom Lewada-Zentrum vorgelegten Befragungsergebnisse als „Kniefall vor dem Kreml”.

Nach Angaben des Lewada-Zentrums werden nur drei Parteien vollwertige Fraktionen in der Duma bilden können. Neben „Einiges Russland” sind das die Kommunistische Partei, der 17% der Wählerstimmen vorhergesagt werden, sowie die liberaldemokratische LDPR, die von 11% der Befragten unterstützt wird. Das sind, so Andrej Isajew, eben jene drei „eindeutigsten und der Masse der Wahlberechtigten verständlichsten” Parteien. „Einiges Russland als zentristische Partei, die KPRF als linke Opposition und die LDPR als rechts-nationalistische Alternative”, erläutert Isajew.

Die Opposition will dem nicht zustimmen. „Wir gehen davon aus, dass vier Parteien Chancen haben, handlungsfähige Fraktionen zu bilden”, so Sergej Obuchow. Gennadi Gudkow ist ebenfalls zuversichtlich, dass seine Partei in die Duma einziehen und eine Fraktion bilden wird. Die letzte Erhebung des WZIOM ergab außerdem, dass „Gerechtes Russland” 9,4% der Wählerstimmen hinter sich vereinen wird.

Die rechtsliberalen Parteien haben nach wie vor wenig Chancen, im Parlament vertreten zu sein. Meinungsumfragen zufolge schaffen es „Jabloko”, „Rechte Sache” und „Patrioten Russlands” auf nicht mehr als 3% der Stimmen. „Sehr interesssant ist die Frage, ob vom Zerfall der ‚Rechten Sache’ die Partei Jabloko gewinnt. Wenn nicht, dann können wir sagen, dass das liberale Projekt an den Liberalen selbst gescheitert ist”, bemerkt Andrej Isajew.

Die Umfragen ließen außerdem ein relativ schwaches Interesse der Russen an den Wahlen überhaupt erkennen. Nach Ergebnissen von WZIOM haben lediglich 36% der Russen die feste Absicht, zur Wahlurne gehen, weitere 39% werden das „wahrscheinlich tun” und 11% gaben an, nicht wählen zu gehen. Andrej Isajew wertet dieses Ergebnis als normal. „Je stabiler das System wird, desto weniger Menschen interessieren sich für Politik”, so die These des Politikers.

Die Vertreter der Kommunisten und der Partei „Gerechtes Russland” sind übrigens sicher, dass das Interesse an den bevorstehenden Wahlen durchaus groß sein wird. Nach den Worten von Sergej Obuchow zeigen sich an der diesjährigen Duma-Kampagne durchaus nicht weniger Menschen interessiert als bei der letzten Kampagne - er rechnet mit einer Wahlbeteiligung von 62%. Gennadi Gudkow wiederum fehlen „normale Debatten” in den russischen Massenmedien. Er stellt fest, dass die Russen derzeit vor allem ein „überwältigendes Interesse an Wahlkampfpolemik” demonstrieren.

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