Die Adern der Wirtschaft

Mit großem Pomp vollzogen Dmitrij Medwedew und Angela Merkel den offiziellen Start der russisch-deutschen Gaspipeline "Nord Stream". Doch leicht gerät aus dem Blickwinkel, dass Russland weitere große Infrastrukturprojekte verfolgt, um die Wirtschaft anzukurbeln. "Russland heute" übernimmt von „Russkij Reportjor“ eine kurze Übersicht über die vier bedeutendsten Großprojekte, um zu veranschaulichen, was das Regierungstandem Medwedew-Putin auf die Schiene gesetzt hat.

Hochgeschwindigkeitszug "Sapsan"

Der Hochgeschwindigkeitszug "Sapsan"


Foto: ITAR-TASS 


Kosten: 1,5 Mrd. US-Dollar

Der Aufbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes der Russischen Eisenbahnen ist von seinem Investitionsvolumen her deutlich kleiner als die übrigen Megaprojekte. Unter der Bezeichnung Sapsan ("Wanderfalke") werden die Hochgeschwindigkeits-Elektrotriebwagen der Baureihen EWS 1 und 2 der Russischen Eisenbahnen zusammengefasst. Vom Hersteller Siemens werden diese Baureihen als Velaro RUS bezeichnet. Sie bilden die dritte Generation von Hochgeschwindigkeitszügen. Zusätzlich dazu sollte ein separates Hochgeschwindigkeits-Schienennetz entstehen. Davon ist jetzt nicht mehr die Rede. Anstatt neue Gleise zu verlegen, wurden 15 Mrd. Rubel (rund 500 Mio. US-Dollar) für die Modernisierung bestehender Strecken ausgegeben. Insgesamt summierten sich die Kosten für das gesamte Projekt auf 1,5 Mrd. US-Dollar. Auch das ist nicht billig, doch die "Sapsan"-Hochgeschwindigkeitszüge sind das einzige rentable Projekt der russischen Eisenbahnen im Personenfernverkehr. Seinen Vorteil spielt "Sapsan" insbesondere zwischen Moskau und St. Petersburg aus. Die direkte Verbindung zwischen St. Petersburg und Nischnij Nowgorod wurde kürzlich aufgrund mangelnder Nachfrage eingestellt. Doch der erste Schritt ist gemacht, die Zusammenarbeit mit Siemens läuft gut,  und man darf hoffen, dass irgendwann moderne Hochgeschwindigkeitszüge in ganz Russland verkehren.

Unterwasser-Gaspipeline "Nord Stream"

Die Unterwasser-Gaspipeline "Nord Stream"


Foto: PhotoXpress


Kosten: 10,2 Mrd. US-Dollar

Sie hat eine Länge von 1223 Kilometern. Eigentümer sind der russische Gasexportmonopolist Gazprom mit 51 %, die deutschen Energieversorger Wintershall und E.ON mit jeweils 15,5 % sowie die niederländische Gasunie und die französische GDF Suez mit jeweils 9 %. Die Idee zum Bau einer Unterwasser-Gaspipeline von Wyborg nach Greifswald wurde bereits 1997 geboren. 13 Jahre vergingen, bis die ersten Rohrstücke auf dem Meeresgrund der Ostsee verlegt wurden. Besonders viel Zeit nahm die Koordinierung des Projekts in Anspruch. Ihr Verlauf durchquert – abgesehen von Anfangs- und Endpunkt – ausschließlich Seegebiete, die keinem Hoheitsgebiet eines Anrainerstaates zugeordnet sind. Die betroffenen unterseeischen Gebiete liegen jedoch innerhalb der so genannten "Ausschließlichen Wirtschaftszonen", die nur mit Zustimmung der Nationalstaaten -  Schweden, Finnland und Dänemark - genutzt werden dürfen. Deshalb mussten Einzelabkommen über den genauen Verlauf der Pipeline mit jedem einzelnen Staat abgeschlossen werden. Obwohl das Projekt die Möglichkeit vorsieht, Abzweigungen nach Polen und Lettland zu bauen, lehnen das beide Länder vehement ab.

Ende 2012 wird der zweite Strang der "Nord Stream"-Pipeline fertig sein. Sie erreicht dann ihre volle Kapazität von 55 Mrd. Kubikmeter Gas pro Jahr. Das Projekt sichert die Unabhängigkeit des Gastransports gegenüber der Transitleitung durch die Ukraine und Polen, vor allem für den größten russischen Gaslieferanten Gazprom. Dank "Nord Stream" kann das Gastransitvolumen durch die Ukraine von heute 70 auf später 50 Mrd. Kubikmeter pro Jahr reduziert werden.

Gazprom wird jedoch nicht gänzlich auf die ukrainische Infrastruktur verzichten. Dies liegt vor allem daran, dass die neue Unterwasser-Pipeline keine unterirdischen Lagerstätten vorweisen kann, um das Gas für den Winter oder größeren Bedarf zwischenzuspeichern. Das ist ein klarer Pluspunkt für die Ukraine.

"Nord Stream" ist nicht die erste Gaspipeline, die seit dem Ende der Sowjetunion gebaut wurde. An der Schwelle des Jahrtausends waren "Blue Stream", die durch das Schwarze Meer in die Türkei führt, und die Pipeline Jamal-Europa gestartet worden. "Blue Stream" transportiert 16 Billionen Kubikmeter Gas pro Jahr und führt rund 1.200 km über russisches und türkisches Festland sowie knapp 400 km auf dem Meeresboden entlang. Die Jamal-Leitung ist als 4200 km lange Pipeline geplant, durch die Erdgas von der Jamal-Halbinsel in Sibirien über Russland, Weißrussland und Polen bis nach Deutschland transportiert werden soll.

"Nord Stream" hat Gazprom und die Konsortialpartner einiges gekostet. Doch auch bei diesem hohen Preis wird sich das Projekt auf jeden Fall über die Jahre amortisieren.

Wasserkraftwerk Burejsk

Das Wasserkraftwerk Burejsk

Foto: RIA Novosti


Kosten: 2,4 Mrd. US-Dollar

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist in Russland kein einziges Wasserkraftwerk von Grund auf neu aufgebaut worden. Da hatte der Abschluss des Baus des Wasserkraftwerks Burejsk am sibirischen Amur, mit dem bereits 1978 begonnen worden war, zumindest symbolische Wirkung.

Das Objekt kann mit überzeugenden Zahlen aufwarten: Es ist mit einer installierten Leistung von 2000 MW das siebtgrößte Wasserkraftwerk des Landes, und dank ihm konnte das Problem der chronischen Elektrizitätsengpässe im Fernen Osten gelöst werden. Sogar ein Stromexport nach China ist möglich. Allerdings müssen die privaten Endverbraucher nun mit Energiepreisen leben, die um ein Mehrfaches höher liegen als im europäischen Teil Russlands. Dafür gibt es keine Stromausfälle mehr.

Erdöl-Pipeline Ostsibirien-Pazifik

Erdöl-Pipeline Ostsibirien-Pazifik

Foto: RIA Novosti


Kosten: 14 Mrd. US-Dollar

Die Ostsibirien-Pazifik-Pipeline wird Sibirien direkt mit der chinesischen Stadt Daqing verbinden. Nach der Inbetriebnahme sollen pro Jahr 15 Millionen Tonnen Öl nach China fließen. Im Gegensatz zum Projekt  "Nord Stream", das mit zahlreichen außenpolitischen Hindernissen zu kämpfen hatte, stieß das Projekt der Ost-Pipeline auf allerlei Barrieren innerhalb Russlands selbst. Der Bau wurde bereits in den 70er Jahren geplant, aber die angespannten Beziehungen zwischen Russland und China verhinderten ein Vorankommen.

Ende der 90er Jahre mischte sich der legendär-berüchtigte Michail Chodorkowskij in das Projekt ein. In Zusammenhang mit seinem Prozess wurden Verhandlungen unterbrochen und getroffene Absprachen revidiert. Nach der Zerschlagung von Yukos übernahm die staatliche Transneft den Bau. 2009 wurde der erste Strang endlich in Betrieb genommen.

Ein Problem bleibt dennoch: Von der Pipeline wurde zunächst nur das russische Teilstück realisiert, nun führt die Pipeline vorerst nur bis in die Stadt Skoworodino, die nicht am Meer liegt. Bis an die Pazifikküste muss das Öl nach wie vor mit der Eisenbahn transportiert werden. Dennoch sind die 2700 km verlegter Pipeline eine wichtige Investition in die Zukunft. China hat zudem auf eigene Rechnung eine 1000 km lange Abzweigung gebaut, um Öl direkt in seine Raffinerien liefern zu können. Falls die Pipeline kurz- bis mittelfristig bis ans Meer fertiggestellt wird, werden die Chancen steigen, dass Russland auch Japan mit dem wichtigen Rohstoff versorgt.

Das Projekt hat eine besondere wirtschaftsstrategische Bedeutung: Es soll die Absatzperspektiven auf den östlichen Märkten bedeutend steigern. In einem direkten Gewinn für den Pipeline-Betreiber Transneft schlägt sich das jedoch noch nicht nieder; denn die vom Staat vorgegebenen Preise für den Öltransport wurden unter die Betriebskosten gedrückt.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Russkij Reportjor.

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