Russische Bevölkerung weiterhin über die Wahlresultate entrüstet

Proteste in Moskau werden von OMON-Einheiten stark unterdrückt. Foto: AFP/EastNews

Proteste in Moskau werden von OMON-Einheiten stark unterdrückt. Foto: AFP/EastNews

Die Konfrontationen zwischen der Opposition und kremltreuen Aktivisten, die auf die Dumawahlen 2011 gefolgt sind, zeugen davon, dass die russische Innenpolitik immer unvorhersehbarer wird. Gleichzeitig wurde damit das Bewusstsein der russischen Bevölkerung für potentielle Fälschungen und Zuwiderhandlungen an den Wahlen unter Beweis gestellt.

Aufgrund der Zusammenstöße mit der Polizei und massenhaften Verhaftungen während der Proteste am Triumphplatz und rund um die Metrostation Tschistye Prudy unmittelbar nach den Wahlen, werden die Behörden wohl strengere Maßnahmen ergreifen. Mindestens 600 Oppositionsaktivisten wurden während der Proteste am Dienstag verhaftet, teilt die Agentur Interfax mit. Am Montag waren rund 300 Personen in Gewahrsam genommen worden, unter ihnen befand sich auch der prominente Anti-Korruptions-Blogger Alexej Nawalny.

Diese Art des Umgangs mit dem „Problem“ scheint die öffentliche Empörung nur angefacht zu haben, und für den kommenden Samstag hat die Opposition eine weitere Demonstration angekündigt. 

In welchem Licht sollten wir die laufenden Ereignisse betrachten? Welche Folgen werden die Anti-Protest-Maßnahmen des Kremls haben? Welche Lektionen sollten die Behörden aus den Unruhen ziehen? Und haben die jüngsten Ereignisse den Machthabern wirklich einen Schreck eingejagt?

Russische Politikexperten sind verschiedener Meinung. Während einige Fachleute denken, dass die jüngsten Demonstrationen keine bedeutenden Umwälzungen in der russischen Politlandschaft bewirken werden, rechnen liberale Analysten damit, dass die Handlungen des Kremls den Unmut in der Gesellschaft weiter anfachen werden.

Jewgenij Mintschenko, Direktor des internationalen Instituts für politische Expertise, sagt, die jetzige Protestsituation sei schon vor den Wahlen vorhersehbar gewesen. „Die Proteste sind schon vor den Wahlen vorbereitet worden“, teilte er Russland Heute in einem Telefoninterview mit.

Mintschenko unterstreicht dabei, das die russische Wählerschaft die Wahlresultate grundsätzlich in Frage stellt, so dass die kontroversen Ergebnisse in Moskau einen guten Grund lieferten, um auf die Straße zu gehen. „Das Oppositionsklima im Land hat die Leute auf die Straße gebracht. Es ist heute unter den Russen nicht mehr besonders populär, die regierende Partei zu unterstützen“, meint Mintschenko.

Dabei betrachtet Mintschenko die Proteste zwar als alarmierendes Symptom, doch macht er darin keine Notfallsituation aus. „Ich denke nicht, dass der Kreml vor den jüngsten Unruhen wirklich Angst hat. Die Behörden ergreifen einfach präventive Maßnahmen, um das Problem in den Griff zu bekommen.“

Georgij Tschischow, Vizepräsident des Zentrums für politische Technologien, sieht dies ähnlich: „Die Protestwelle ist eine logische Folge der Wahlresultate, aber sie wird nicht so heftig ausfallen wie in der Ukraine im Jahre 2004. Die jetzige Situation ist anders.“

Tschischow will nicht mit Sicherheit sagen, ob die Regierung vor den Protesten Angst hat oder nicht: „Einerseits können die jüngsten Proteste das aktuelle Regime kaum in Mitleidenschaft ziehen. Aber andererseits sind die Machthaber durch die Möglichkeit, dass die Proteste ausarten könnten, verunsichert.“

Im Gegensatz zu Mintschenko und Tschischow ist Jurij Korgunjuk, ein Experte des Moskauer Think Tanks Indem, davon überzeugt, dass der Kreml durch die Unruhen nach den Wahlen angesichts der „unglaublich breitflächigen“ Wahlfälschungen höchst alarmiert ist.

„Wenn nur etwa 30% für Einiges Russland wählen, die Auszählung jedoch ein Resultat von 49% zeigt, ist das sehr verdächtig“, meint Korgunjuk. „Die Behörden sind sich das Manipulieren gewohnt, aber früher oder später wird das Maß voll sein. Und die immer strengeren Maßnahmen, um die Unruhen in den Griff zu bekommen, werden für Putin und Medwedew nur negative Konsequenzen in Form immer schlechterer Ratings haben.“

Vorerst bleibt offen, welche Prognosen sich bewahrheiten werden.

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