Michail Prochorow. Foto: AP
Bei seiner Wahlkampagne kann Michail Prochorow mit der Unterstützung des ehemaligen Finanzministers Alexej Kudrin rechnen. In einem Interview mit der Zeitung Wedomosti sagte dieser, er sei bereit, eine "neue kompetente Mitte-rechts-Partei" zu gründen und stehe "in Kontakt" mit Michail Prochorow, den er für einen "gestählten politischen Kämpfer" halte.
Herrn Prochorow ist bewusst, dass ihn eine "große und keineswegs einfache Arbeit erwartet - Unterschriften müssen gesammelt und die Partei muss registriert werden". Er kann kaum damit rechnen, dass ihn eine andere Partei aufstellt: Diese haben ihre Kandidaten bereits festgelegt. Die Anhänger von Michail Prochorow müssen nun für dessen Nominierung bis zum 18. Januar zwei Millionen Unterschriften sammeln. Bisher war dies lediglich Andrej Bogdanow gelungen, der 2008 bei den Präsidentschaftswahlen kandidierte. Michail Kasjanow, der 2008 ebenfalls kandidierte, gelang es schließlich doch nicht, an den Wahlen teilzunehmen: Die Zentrale Wahlkommission nahm die von ihm gesammelten Unterschriften nicht an, und in der Folgezeit wurden in einigen Regionen Personen, die Unterschriften für die Michail Kasjanows Nominierung gesammelt hatten, ordnungsrechtlich belangt.
Zur Erinnerung: In der vergangenen Woche hatte Prochorow in seinem Blog auf Livejournal ein Aktionsprogramm vorgestellt, das vorsah, dass der Vorsitzende der Partei Einiges Russland bei den Parlamentswahlen Dmitrij Medwedjew die Staatsduma anführen und das dadurch frei werdende Präsidentenamt von Wladimir Putin übernommen werden solle. Herr Prochorow schlug vor, diese Umbesetzung noch vor den im März stattfindenden Präsidentschaftswahlen vorzunehmen, und falls "Ruhe und eine positive Grundstimmung im Land nicht wiederherzustellen sein sollten", schlug der Geschäftsmann "Neuwahlen für die Duma" vor.
Nun ist ein einflussreicher Verbündeter für Herrn Prochorow aufgetaucht - der ehemalige Finanzminister Alexej Kudrin, der am Montag in einem Interview mit der Zeitung Wedomosti erklärte, er stehe "in Kontakt" mit Michail Prochorow. Freilich ist der ehemalige Minister sehr viel mehr an der Gründung einer neuen Partei interessiert - seinen Angaben zufolge stand dies bei seinen Gesprächen mit Michail Prochorow jedoch nicht zur Debatte.
Nach Ansicht des ehemaligen Finanzministers fehlt im "politischen System Russlands der rechte Flügel, was das Spektrum der politischen Parteien und die Möglichkeiten der Bürger, ihre Präferenzen bei der politischen Arbeit und den Wahlen zum Ausdruck zu bringen, stark einschränkt". Deshalb wäre nach Ansicht von Herrn Kudrin eine Mitte-rechts-Partei "für unser Land eine durchaus vernünftige Wahl".
Der ehemalige Vizeministerpräsident berichtete ausführlich, Präsident Dmitrij Medwedjew habe ihm zwei Mal - im Frühjahr 2010 und im April 2011 - angeboten, die Führung der Partei Rechte Sache zu übernehmen. Nach Angaben von Alexej Kudrin lehnte er dies beide Male ab, sagte jedoch zu, das Bestreben "einer anderen Person" zu unterstützen.
Nun ist es für Herrn Kudrin offensichtlich, dass "das Fehlen einer einflussreichen Kraft am rechten Flügel noch offensichtlicher geworden ist, als man sich dies hatte vorstellen können. Heute kann ohne weiteres festgestellt werden, dass der Bedarf an einer solchen Struktur derartig groß ist, dass es auf jeden Fall zu einer Gründung kommen wird. Zurzeit findet eine Konsolidierung liberaler und demokratischer Kräfte statt".
Die sowohl innerhalb als auch außerhalb des Systems angesiedelte Opposition steht dem möglichen Projekt von Alexej Kudrin skeptisch gegenüber. Boris Nemzow, eine der Führungspersönlichkeiten der bislang nicht offiziell registrierten Partei der Volksfreiheit, bezeichnete dieses Projekt - sofern es gemeinsam mit dem herrschenden Regime umgesetzt werden sollte - als "totgeborenes Kind". Auch der Fraktionsvorsitzende der Partei Gerechtes Russland in der Staatsduma Alexander Agejew geht davon aus, dass die Äußerung von Herrn Kudrin als "Aufgabe, die ihm von oben, vom Kreml, von der Administration des Präsidenten vorgegeben wurde" anzusehen sei.
Die Kommunisten sind überzeugt, dass unser Land keine rechten Parteien braucht. Der stellvertretende Vorsitzende des Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation und stellvertretende Sprecher der Staatsduma Iwan Melnikow geht davon aus, dass unser Land Bedarf an linker Rhetorik habe, doch "eine solche Politik ist nicht im Interesse der Oligarchen und Beamten, die dem heutigen Russland ihre Regeln aufdiktieren". Dieser Meinung ist auch der Vorsitzende der Fraktion der Liberal-Demokratischen Partei Russlands in der Staatsduma Igor Lebedjew. Seinen Worten zufolge könne Herr Kudrin eine Organisation mit Hilfe der finanziell Betuchten und einigen noch verbliebenen administrativen Kräften gründen, allerdings würde daraus wohl kaum eine Partei werden: "All diejenigen, die in unserem Land für die Rechten stimmen würden, sind längst nach London gegangen." Der reale Stimmenanteil der "Rechten" in unserem Land liegt bei 1 %. Alexander Agejew geht davon aus, dass eine rechte Partei nur in Krisenzeiten die Möglichkeit habe, ca. 10 % der Stimmen zu erhalten und führte weiter aus: "Das Land braucht eine rechtsliberale Partei. Eine Partei, die darüber spricht, wie man die Wirtschaft richtig aufbaut und wie etwas erwirtschaftet werden kann - nicht, wie man es verteilt."
"Ob Kudrin eine solche Partei anführen könnte? Ich habe meine Zweifel", erklärte der Vorsitzende des Unternehmerverbands Delowaja Rossija Boris Titow. Er erinnerte daran, dass Herr Kudrin seinerzeit "die verarbeitende Industrie durch seine Politik praktisch zu Grabe getragen hat" und führte weiter aus: "Deshalb vertrauen ihm die Unternehmer - die die natürliche Grundlage eines jeden rechtsgerichteten Projektes darstellen - nicht. Wir werden selbst eine rechtsliberale Partei gründen, doch ob wir Kudrin in die Führungsriege einladen, ist fraglich."
Politologen merken an, es sei höchste Zeit für eine Partei am rechten Flügel. Michail Winogradow, der Präsident des Fonds Petersburger Politik ist überzeugt, dass es sich dabei um Versuche handele, rechtsliberale Wähler anzulocken, die zuvor außer Acht gelassen wurden. "Es wäre vergleichbar mit dem Versuch, sich in einen Zug zu setzen, für den man die Fahrkarte zuvor in Stücke gerissen und dem Schaffner ins Gesicht geschleudert hat", meint der Mitarbeiter des Zentrums für angewandte politische Forschungen INDEM Jurij Korgunjuk.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitung Kommersant.
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