Mit Comics gegen Rassismus

Roman Sokolow in seinem Atelier in St. Petersburg. Foto: Pauline Tillmann

Roman Sokolow in seinem Atelier in St. Petersburg. Foto: Pauline Tillmann

Das russisch-europäische Projekt „RESPEKT. Internationale Comics“ soll Rassismus abbauen. Inzwischen haben bereits zwei Workshops mit Comiczeichnern aus unterschiedlichen Ländern dazu stattgefunden. Unterstützt wird das Projekt unter anderem durch das Moskauer Goethe-Institut und die Europäische Union. Pauline Tillmann hat einen der Comic-Zeichner von „RESPEKT“ in München und in St. Petersburg getroffen.

Roman Sokolow steht vorne und gestikuliert. Er erzählt davon, dass es Kindern helfe, wenn sie Animationsfilme machen würden. Vor allem Kindern aus sozial schwachen Familien. Und Kindern mit unheilbaren Krankheiten. Roman sagt: „Diese Kinder sind hellwach, sie sind neugierig, auch wenn sich ihre Muskelmasse jeden Tag ein bisschen mehr auflöst.“ Anfang November war das. In München hat er einen Film gezeigt, in der es um den Wald ging – im Rahmen des „Kurzfilmprogramms von jungen Filmemachern aus Deutschland, Mittel – und Osteuropa“. Es war das erste Mal als Roman mit seiner Frau Ira und seiner zehnjährigen Tochter Evgenija in München war. Vor vier Jahren hat er angefangen mit Kindern Animationsfilme zu drehen und das Studio „DA“ gegründet.



Roman Sokolow ist 35 und arbeitet als Regisseur im größten Animationsstudio Russlands „Smeshariki“. Knapp die Hälfte seines Lebens hat er in St. Petersburg verbracht, zum Studieren ist er gekommen. Und geblieben. Schon bald hat er ein Interesse für Comics entwickelt. Denn im französischen Institut hat er eine Armada an Comicheften gefunden – und sich in diese Kunstform verliebt. In Frankreich und Belgien gibt es eine lange Tradition dafür. „In Russland ist das anders, hier glaubt man, dass Comics immer lustig sein müssen und keine ernsthafte Themen behandeln können“, sagt Roman. Geld könne er damit ohnehin keines verdienen. Er malt Comics zum Spaß, in seiner Freizeit und vor großen Festivals wie der „KomMissia“ in Moskau. Als er zum ersten Mal daran teilgenommen hat Mitte der 90er Jahre, reichte er eine Arbeit zum Thema Tod ein. „Das stach damals in der Masse heraus, aber heutzutage ist das nichts Besonderes mehr“, erklärt Roman Sokolow, „denn seit einigen Jahren findet man unterschiedliche Genres, die sich mit lustigen, ernsthaften, fiktiven und auch realen Problemen auseinandersetzen.“



Obwohl die Comicszene in Russland langsam wächst, kann man damit kaum seinen Lebensunterhalt bestreiten. In Moskau gibt es ein paar wenige Zeichner, die in der Werbebranche arbeiten. Hin und wieder kommen sie auch bei Zeitschriften zum Einsatz. Gebundene Comicbücher sind aber immer noch die Ausnahme – im Gegensatz zu Mangas. Mangas stammen aus Japan und haben sich in Russland im Zuge der Japanwelle vor einigen Jahren fest etabliert. Mangas sind cool. Comics sind etwas für Kinder. Mit dem Projekt „RESPEKT. Internationale Comics“ soll sich das ändern.



Im Mai hat das Goethe-Institut einen Workshop in Moskau veranstaltet und neun Comiczeichner aus Russland, Deutschland, England, Türkei, der Ukraine und Spanien eingeladen. Auch Roman Sokolow war dabei: „Mich hat das Thema gereizt, die Auseinandersetzung mit Rassismus.“ In Vorlesungen und Gesprächen haben die Teilnehmer über die Wurzeln von Rassismus und dessen Ausprägung in den unterschiedlichen Ländern diskutiert. Außerdem haben sie erfahren wie gegensätzlich der Umgang mit Comics ist – in Deutschland wird das zum Beispiel als gleichberechtigte Kunstform gesehen, man kann sich darauf spezialisieren und auch davon leben.



Der Ansatz von „RESPEKT“ ist es junge Menschen zu erreichen. So hat jeder der neun Künstler einen eigenen Comic gemalt, der in Buchform erschienen ist und an den Schulen in Russland verteilt wird. „Ich weiß, dass sich dadurch nicht alles sofort ändern wird“, meint Roman Sokolow, „aber Schritt für Schritt sensibilisieren wir dadurch die nachkommende Generation für das Thema Rassismus.“

Woher rührt der Nationalismus in Russland?

Bis zu 60 Prozent der Bürger akzeptieren die Losung „Russland den Russen“. Was steckt hinter dem Slogan?

Denn nicht nur in Deutschland sondern auch in Russland gibt es massive Probleme mit Rassismus und Rechtsextremismus. Nicht selten kommt es vor, dass Dagestaner drangsaliert, Tadschiken zusammengeschlagen und Vietnamesen auf offener Straße umgebracht werden. Als es vor 20 Jahren noch die Sowjetunion gab, waren alle im Geiste verbunden. Aber inzwischen kristallisieren sich immer stärker auch die Unterschiede heraus. Und oft werden diese Unterschiede aber nicht als Bereicherung wahrgenommen sondern als Bedrohung, die Ängste auslöst. Deshalb formulieren russische Politiker Parolen wie „Russland den Russen“ – und werden dafür bejubelt. Dabei geht es immer um die eigene Identität auf der einen Seite und das Zusammenleben mit anderen Kulturen auf der anderen Seite. Um auch in der Bevölkerung das Bewusstsein dafür zu schärfen, gab es inzwischen einige Ausstellungen. Comics spielen dabei die zentrale Rolle. Sie sollen aufklären, aber vor allem auch aufrütteln. Nach dem Motto: „Du musst nicht deinen Nachbarn lieben, fang einfach an ihn zu achten.“



Mitte Oktober fand in Jekaterinburg ein zweiter Workshop mit internationalen Comiczeichnern statt. Die Arbeiten des ersten Workshops, an dem auch Roman Sokolow teilgenommen hat, sind auf der Webseite www.respect.com.mx einzusehen. Das Projekt läuft noch bis zum Frühjahr 2012. Die entstandenen Comics werden in einer großen Werkzschau bei der nächsten „KomMissia“ in Moskau gezeigt und gehen anschließend auf Russlandtournee. 

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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