Quelle: Alexej Jorsch
Der einflussreiche Wladislaw Surkow soll sich von nun an um die Modernisierung der Wirtschaft kümmern und macht gleichzeitig Platz für einen anderen Politikstil. Der ehemalige Erste Stellvertreter des Leiters der Russischen Präsidialverwaltung wird auch als „graue Eminenz“ der russischen Politik bezeichnet. Über die anderen Seiten seines Lebens und seiner Arbeit ist weit weniger bekannt. Offensichtlich wird deshalb die Versetzung Surkows aus dem Kreml in die Regierung, wo er im Rang eines Stellvertretenden Ministerpräsidenten für die Modernisierung der Wirtschaft tätig sein wird, fast ausschließlich als politischer Schachzug aufgenommen. Und zwar konkret als Strafe von Seiten Wladimir Putins für das miserable Abschneiden der Regierungspartei Einiges Russland bei den Wahlen zur Staatsduma.
Laut dem rechtsliberalen Politiker Leonid Gosman hat der Kreml Surkow nach den Massenprotesten im Nachgang der Wahlen zur Staatsduma geopfert. Und der ehemalige Berater des Präsidenten Putins, Andrej Illjarionow, erklärte, dass das Ziel Surkows Versetzung darin bestehe, ihn „aus dem Schlaglicht der gesellschaftlichen Kritik zu nehmen“. Surkow selbst erläuterte den Journalisten seine Versetzung damit, dass er „zu einer zu großen Belastung für die schöne neue Welt“ geworden sei und der „Stabilisierungsprozess seine Kinder frisst“. Diesen Metaphern kann man entnehmen, dass der ehemalige Kreml-Ideologe bereits jetzt seine Aufgabe zur Schaffung des so genannten „Putinschen Modells“ der staatlichen Verwaltung als erfüllt betrachtet. Jetzt, nach der von Putin und Medwedew versprochenen Liberalisierung des politischen Systems, müssen andere Leute seinen Platz einnehmen.
„Ich gehörte zu denen, die Präsident Jelzin dabei geholfen haben, einen friedlichen Wechsel der Macht zu realisieren. Ich gehörte zu jenen, die Präsident Putin dabei geholfen haben, das politische System zu stabilisieren. Und ich gehörte zur Zahl derer, die Präsident Medwedew unterstützt haben, dieses System zu liberalisieren. Das waren ausgezeichnete Mannschaften, sozusagen die Erste Liga“, erinnert sich Surkow.
Er versichert, dass er selbst von seinem Posten in der Kremlverwaltung zurück getreten ist. „Ich habe die Führung schon vor einiger Zeit darum gebeten, mir die Möglichkeit zu geben, nach Neujahr ein neues Leben zu beginnen. Ich wurde erhört – und dafür bedanke ich mich“, sagte Surkow.
Aber eine kreative Anschauungsweise muss man Surkow, dem Autor mehrerer musikalischer und literarischer Werke, wohl lassen. Eine seiner erfolgreichsten Unternehmungen war das Projekt Skolkowo, das „russische Silicon valley“. Im Dezember 2009 wurde Surkow zum Vorsitzenden der Arbeitsgruppe zur Entwicklung dieses Projekts ernannt und später in dessen Kuratorium kooptiert.
„Surkow gehört mit seinen Anschauungen zu einem der vorausblickensten Fachleute. Das ist sehr wichtig, um die Realisierung der Modernisierungsprogramme des Landes zu koordinieren, besonders das Innovationsprojekt Skolkowo“, sagt der Vizechef des Präsidiums der Partei Einiges Russland Sergej Schelesnjak. Seiner Meinung nach bedeutet die Ernennung Surkows zum Stellvertretenden Ministerpräsidenten mit Verantwortung für die Modernisierung, dass „die Innovationen nunmehr einen ernsthaften Lotsen bekommen“ haben.
Aber nicht alle sind so optimistisch. So glaubt zum Beispiel der Präsident des Forschungszentrums für politische Analyse Michail Tulskij, dass die russische Modernisierung nunmehr „nichts mehr zu erwarten hat, außer gigantischem Medienrummel, worin Surkow ja ein Spezialist ist“.
Als er sich mit Präsident Medwedew über seinen neuen Posten unterhalten hat, grinste Surkow breit. Er bedankte sich beim Präsidenten für die Möglichkeit, „auf einem neuen und interessanten Gebiet“ arbeiten zu können und sagte zu ihm: „Das ist eine große Ehre für mich“. Das Grinsen und die Danksagung wirkten durchaus aufrichtig. „Mir scheint, dass Surkow sich sehr glücklich fühlt, nachdem er der festen Umklammerung der Kremltürme entkommen ist. Vor ihm stehen neue Aufgabenfelder, die sich wesentlich von dem unterscheiden, womit er sich bisher beschäftigt hat“, sagte der Generaldirektor des Zentrums für politische Informationen Alexej Muchin. Er bestätigt, dass Surkow die Russische Präsidialverwaltung bereits im Jahre 2004 verlassen wollte.
Bis heute ist er eines der wichtigsten Instrumente des Kremls zur Gestaltung der Innenpolitik, bemerkt der Politologe Gleb Pawlowskij. „Surkow hat die Arbeit nicht nur kontrolliert, sondern er hat sie programmiert. Er hat verschiedene politische Projekte programmiert und konnte dabei gleichzeitig die Präsidentschaftswahlen, die Partei und die Gouverneure führen und alles miteinander verbinden und unter einen politischen Hut bringen. Jetzt steht dieser Mechanismus nicht mehr zur Verfügung. Zum Glück, mag wohl mancher sagen. Aber das bedeutet lediglich, dass dem Kreml das alte Instrument nicht mehr zur Verfügung steht und er sich also ein neues suchen wird“, ist der Experte sich sicher.
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