Die Erdölförder- und -transportregionen überschneiden sich mit den Lebens- und Migrationsgebieten der arktischen Fauna. Foto: Alamy_LegionMedia
Während sich im Ochotskischem Meer eine Tragödie auf der Erdöl-Bohrinsel Kolskaja abspielte, erklärte der World Wide Fund For Nature (WWF) 2012 zum Jahr der Arktis. Umweltschützer haben eine Zunahme von Aktivitäten um die Ausbeutung der fossilen Brennstoffe in der arktischen Schelfregion registriert und warnen davor, dass eine unkontrollierte Förderung von Rohstoffen zu einer ernsthaften Gefahr für das empfindliche ökologische Gleichgewicht des Hohen Nordens führen kann. Die Förderung fossiler Brennstoffe ist dort nicht nur teurer sondern auch gefährlicher für die Natur. Es existieren heutzutage immer noch keine Technologien, um das unter dem Eis ausströmende Erdöl zu liquidieren. „So hat sich zum Beispiel das nach der Havarie der Exxon Valdez im Jahre 1989 in Alaska ausgelaufene Erdöl nicht zersetzt und befindet sich immer noch auf dem Meeresgrund“, ruft der Direktor des russischen WWF Igor Tschestin in Erinnerung.
Eben deshalb fordern Ökologen, dass die Gewinnung fossiler Rohstoffe in der Arktis verboten werden sollte – zumindest so lange, bis entsprechende Technologien zur Behebung von Havarien entwickelt werden. „Es gab einen Erlass des russischen Präsidenten, der fordert, dass in der Arktis nur solche Erdölprojekte in Angriff genommen werden dürfen, für die die ausführenden Firmen die entsprechenden finanziellen Mittel zur Beseitigung eventueller Folgeschäden nachweisen können“, erinnert sich Tschestin. „Die gegenwärtig bereits in der Realisierung befindlichen Projekte entsprechen diesen Anforderungen leider nicht“.
Die Gebiete der Erdölförderung und -weiterleitung überschneiden sich mit den Lebens- und Migrationsgebieten der Fauna des Hohen Nordens. Die Grünen schlagen vor, einen konstruktiven Kompromiss zwischen den Wünschen der Erdöl- und Erdgasförderfirmen einerseits und den Naturschutzanforderungen andererseits zu finden. „Das ist keine Frage der Zeit, sondern eine Frage des Prinzips“, glaubt der Koordinator des WWF-Programms Klima und Energie Alexej Kokorin. „Wenn die Förderung im Hohen Norden zu teuer wird, muss die Priorität auf den Umweltschutz gelegt werden“.
Dass dieses Gleichgewicht eingehalten werden muss, glaubt auch die Direktorin der Abteilung Staatspolitik und Regulierung imBereich des Umweltschutzes und der ökologischen Sicherheit des Ministeriums für Naturressourcen Swetlana Jurmanowa. Sie hat die Notwendigkeit betont, die internationale Zusammenarbeit in der Arktis, besonders bei der Verhinderung von Katastrophen, weiterzuentwickeln. Dabei unterstrich sie, dass es wesentlich wichtiger sei, solche Situationen zu vermeiden, als sich danach mit der Beseitigung der Folgen zu beschäftigen.
Eisfläche auf historischem Minimum
Die Eisfläche im arktischen Ozean verringert sich mit jedem Jahr und hat 2011 ihr historisches Minimum seit 1972, das heißt, dem Jahr, in dem mit der regelmäßigen Satellitenüberwachung begonnen worden ist, erreicht“, erläutert Kokorin. Seit 1979 hat sich das Volumen der Eisberge im Sommer auf ein Drittel reduziert. Kokorin merkt an, dass es mehrere Modell-Szenarien zur Veränderung der arktischen Eisdecke gäbe. Eines von diesen geht davon aus, dass die Arktis während der Sommerzeit erst im Jahre 2060 vollkommen eisfrei sein wird. „Es gibt allerdings auch andere Modelle, die weitaus alarmierender sind, erläutert der Vertreter des WWF. „Das pessimistischste Szenario sieht vor, dass dieser Moment bereits dreißig Jahre früher, das heißt zum Jahre 2030, eintreten wird“.
Außerdem nimmt die Erosion der Uferzone immer mehr zu — nach Expertenmeinung verringert das Territorium Russlands sich jährlich um dreißig Quadratkilometer. Es mag der Eindruck entstehen, dass diese Fläche im Vergleich zum Territorium des Landes verschwindend gering ist, doch gerade in dieser immer weiter erodierenden Uferzone befinden sich viele Gebäude und Anlagen: Hafengebäude, Leuchttürme (darunter solche mit radioaktiver Energieversorgung), meteorologische Beobachtungsstationen.
Im Herbst 2012 wird das 3. Internationale Arktische Forum stattfinden, das der Ökologie der Arktis gewidmet werden wird. Möglicherweise wird man zu diesem Zeitpunkt bereits die ersten Schlussfolgerungen aus dem Arktischen Jahr ziehen können: die Einrichtung neuer Schutzgebiete, die Einführung einheitlicher, für alle Länder verbindlicher Handlungsstandards für die Nordpolregion, sichere Fahrwasser für Schiffe und die Reduzierung von Katastrophenfällen auf ein Minimum.
Die üngekürzte Fassung des Beitrags erschien zuerst bei Moskowskije Nowosti.
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