Foto: KMO
Präsident Dmitri Medwedjew hat dem Parlament einen Gesetzentwurf zu Veränderungen im Wahlrecht vorgelegt. Danach würden die Russen bereits im Mai ihre Gouverneure wieder direkt wählen. Die jetzige Praxis der Ernennung durch den Staatschef wäre damit revidiert. Laut Medwedjews Entwurf können sich zur Wahl zum Gouverneur sowohl Einzelpersonen stellen als auch Vertreter aller registrierten Parteien.
Die eingeleitete Reform wird nicht die letzte sein. So schließt der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Verfassungsrecht, Wladimir Pilgin, nicht aus, dass auch die Möglichkeit der Bildung von Wählerblocks wieder eingeführt wird.
Der dem Parlament vorliegende Gesetzentwurf verzichtet weitgehend auf die umstrittene Klausel, nach der die Kandidaten für das Gouverneursamt vom Präsidenten „gefiltert“ werden sollten. Diese Regelung hatte Präsident Putin letzten Dezember vorgeschlagen.
Allerdings sieht der Entwurf die „Möglichkeit“ vor, dass die Kandidaten der registrierten Parteien im Einvernehmen mit dem Staatsoberhaupt vorgeschlagen werden. „Eine Partei legt dem Präsidenten eine Kandidatenliste vor oder präsentiert ihm einen einzelnen Anwärter. Dann wählt dieser wiederum entweder aus der Liste denjenigen aus, der ihm aus verschiedenen Gründen am geeignetsten erscheint, oder stimmt dem einzelnen Kandidaten zu. Diese Vorgehensweise schreibt der Gesetzentwurf den Parteien als auch dem Präsidenten vor“, erklärte die Vorsitzende der Rechtsabteilung der Präsidialadministration Larissa Brytschewa am 17. Januar.
Das Ergebnis der Beratungen mit dem Präsidenten sei für die Parteien jedoch nicht bindend, erläuterte sie. Auf die Frage der Zeitung Kommersant, welchen Zweck unter diesen Umständen diese Regelung erfülle, antwortete Brytschewa: „Aus meiner Sicht hat sie in erster Linie koordinierende Funktion bei der Aufstellung der Kandidaten. Möglicherweise soll sie auch in bestimmten Fällen die Parteien vor personellen Fehlentscheidungen schützen.“
„Der politische Sinn einer solchen Regelung dürfte wohl darin liegen, die von Wladimir Putin ins Gespräch gebrachte Idee eines „Präsidentenfilters“ mit der Medwedjewschen Demokratisierung in Einklang zu bringen“, erklärte Wiktor Schejnis, Koautor der russischen Verfassung und Mitglied des Politischen Komitees der Partei Jabloko. Dennoch sei die Formulierung „juristisch unglücklich“. In Russland, so Scheijns, besitze der Präsident ohnehin zu viele Rechte und Vollmachten, die nicht in der Verfassung verankert seien.
„Die Rückkehr zu direkten Gouverneurswahlen ist nicht gleichzusetzen mit der Einführung freier und ehrlicher Gouverneurswahlen“, so der Vizepräsident des Zentrums für Polittechnologie Rostislaw Turowski gegenüber dem Kommersant. Der Kreml könne die Aufstellung der Kandidaten auch kontrollieren, ohne sich auf formale Prozeduren zu stützen. Das beweise die erste Amtszeit von Wladimir Putin, in der die Direktwahlen der Gouverneure noch nicht abgeschafft waren, bemerkt Turowski.
Bis zu seiner endgültigen Verabschiedung könnten am jetzt vorliegenden Gesetzentwurf noch Änderungen vorgenommen werden. Ohnehin, so ist zu erwarten, werden die Formulierungen hinsichtlich der Kandidatenfrage verbindlicher ausfallen. So geht der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Verfassungsrecht, Wladimir Pligin von der Partei Einiges Russland, davon aus, dass diediesbezügliche Auflagen verschärft werden. Insbesondere könnten die geplanten Änderungen den für die Parteien nicht bindenden Charakter der „Empfehlungen“ des Präsidenten betreffen, erklärte Pilgin gegenüber dem Kommersant.
Der Gesetzentwurf räumt allen sieben registrierten Parteien das Recht ein, Kandidaten für das Gouverneursamt aufzustellen. Zudem sollen den vom Präsidenten vorgeschlagenen Änderungen zufolge die Anforderungen an die Registrierung weiterer Parteien deutlich herabgesetzt werden. Sollte auf diesem Wege in Russland die Zahl der registrierten Parteien in die Höhe schnellen, könnte die Möglichkeit einer Bildung von Wahlkampfkoalitionen oder Wahlblocks aktuell werden, so Pligin.
Bezüglich der Kandidaten für das Gouverneursamt sieht der Entwurf einige Einschränkungen vor. Diese betreffen etwa die Altersgrenze, der Kandidat muss das 30. Lebensjahr vollendet haben und die jeweilige Amtszeit von fünf Jahren. Die Zahl der Amtsperioden eines Gouverneurs hingegen unterliegt keiner Begrenzung.
„Jeder Übergang von einem System zu einem anderen wirft jedoch die Frage auf, welche Amtsperiode als die erste und welche als die zweite zu definieren ist. Gegenwärtig haben wir auf eine rückwirkende Begrenzung der Amtsperioden verzichtet. Andernfalls würde die Situation vollkommen unklar, niemand könnte mehr sagen, wer sich in welcher Amtszeit befindet“, erklärte Larissa Brytschewa.
Brytschewa geht davon aus, dass der Entwurf nicht vor Mai dieses Jahres verabschiedet wird. Danach sind die Regionen aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten ihre Gesetzgebung an die neue Rechtslage anzupassen. Allerdings endet bereits im Mai bzw. Juni die Amtszeit einiger Gouverneure, unter anderem von Boris Gromow, Gouverneur des Moskauer Gebietes. Nach Informationen des Kommersant hat man im Kreml noch nicht darüber befunden, wie in solchen Situationen zu verfahren ist. Nicht auszuschließen, dass für solche Fälle Sondererlässe erforderlich sind.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Tageszeitung Kommersant.
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