Russischer Schaumwein für Gourmets

Foto : Mikhail Mordasov/focuspictures

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„Seit sechs Jahren besorgen wir jedes Jahr für Heiligabend und Silvester jede Menge Krimsekt. Das ist ein Ritual.“ Tamara und Alexej aus Nischni Nowgorod haben rund 1700 Kilometer bis nach Abrau Durso an der Schwarzmeerküste zurückgeleg. Es geht ihnen um den hiesigen „Schampanskoje“, wie der Sekt im Russischen, an das französiche Champagne angelehnt, heißt. Und um ein wenig Ruhe in dem idyllischen Weinbaustädtchen inmitten sattgrüner Hügel am Ufer des Abrau-Sees.

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Seit das 1870 von Zar Alexander II. gegründete Weingut Abrau-Durso dem Oligarchen Boris Titow gehört, erlebt es einen Boom. Mit einer Jahresproduktion von 13 Millionen Flaschen und einem Umsatz von 48 Millionen Euro ist er der viertgrößte Schaumwein-Produzent Russlands. „Anfang 2012 wollen wir an die Börse, das ist unsere Priorität“, erzählt Titow. Sein Unternehmen ist momentan 70 Millionen Euro Wert. 15 Prozent dieser Summe soll künftig in die Hand der Aktionäre gelegt werden.

Titow empfängt in seinem riesigen, hell erleuchteten Büro. An den Wänden hängen Diplome, Auszeichnungen und Schwarzweiß-Bilder der ersten französischen Weinbauspezialisten – sowie seines Anwesens aus der Zarenzeit. Doch das ist längst Vergangenheit. An die gute alte Zeit anknüpfend, will er deshalb das Anbaugebiet zu einem Touristenzentrum aufbauen –  Hotels, Thermen, Ferienwohnungen und Wellness-Farm inklusive. Letztes Jahr kamen bereits 130 000 Rekreationslustige hierher.

Ein „Champagner Made in Russia“?

Kürzlich hat Boris Titow auch in der Champagne investiert. Er will eine russische Marke in Frankreich produzieren lassen und das Gebiet als Tourismusziel unter seinen Landsleuten promoten. 2015 soll es losgehen.

Der trinkfeste Geschäftsmann schätzt guten Schampanskoje und trinkreife Sprüche: „Wein, das ist eine Leidenschaft. Wir werden eine Tradition neu begründen, unsere Vision vom Weingenuss fördern und den Geschmack verfeinern.“ Dazu führen bereits Wanderpfade über seine Weinberge, die vollen Weinkeller laden zur Degustation.

Russen bevorzugen halb-liebliche und halb-trockene Weine, trockene Weine sind ihnen noch fremd. „Wir wollen die Menschen dazu bewegen, trockene Weine zu probieren. Uns geht es um eine echte Schaumwein-Kultur – gegen dieses süße, sprudelnde Zeug, das in Russland als richtiger Sekt verkauft wird “, lacht Titow.

Der Weg dahin ist lang, beschwert sich Titow selbst sogar über die Kleidung der Besucher - mit Shorts und Sandalen zur Erhabenheit seines Trunks einfach unpassend.

Als wir den Weinkeller betreten, fröstelt Pascha – in seinen Bermudas. Sein Vater Sergej kümmert sich um seine „ästhetische Erziehung“, so dass er künftig einen „wahren Schampanskoje einem schlechtem Wodka vorzieht“. Fasziniert folgt Pascha dem Führer ins Weinlager: In insgesamt fünf Kilometer langen, unterirdischen Gängen lagern neun Millionen Flaschen. Begeistert lauscht er den Erklärungen zur Herstellung von Cuvée und Schampanskoje, über die Besonderheiten von Pinot Blanc, Pinot Noir, Chardonnay und Riesling, von denen jedes Jahr 1,5 Millionen Flaschen Abrau-Durso verlassen – neben 20 Millionen Flaschen Schaumwein, der mit der Charmant-Technologie in geschlossenen Behältern hergestellt worden ist. Alle Gerätschaften, die zur Schaumweinherstellung gebraucht werden, sind brandneu und stammen aus Frankreich, Spanien oder Italien.

Besonders stolz ist das Weingut auf seine französischen Wurzeln. Im 19. Jahrhundert musste Abrau-Durso als Gemüsegarten des Zaren herhalten, dann hatte man erkannt, dass der Boden für den Weinanbau bestens geeignet ist. 1905 wurde der Kellermeister Victor Dravigny mit einem Team französischer Spezialisten auch der Champagne eingeladen. Der Winzer sollte auch den russischen Schaumwein zur Prefektion treiben. Bis hin zur Oktoberrevolution ergötzten sich Zarenhof und Adel am russischen „Schampanskoje“, der nach der Champagner-Methode der doppelten Fermentierung und mit einer Lagerung von zwei bis drei Jahren produziert wurde. Ein Jahrhundert später überwacht Hervé Jestin die Produktion – auch er ein Berater aus der Champagne und ehemaliger Kellermeister von Duval-Leroy.

„Wir nutzen französische Technologien, doch natürlich bleibt es ein Sekt. Wir wollen dem Champagner keine Konkurrenz machen, fordern aber die anderen moussierenden Weine heraus. Außerdem bieten wir den Spaniern die Stirn“, versichert der stellvertretende Direktor Andrej Kobojan nicht ohne Stolz.

Zahlen

2000 Hektar groß ist das Anbaugebiet. 534 Hektar sind mit aktiven Weinbergen bedeckt, 500 Hekter zur Bepflanzung vorbereitet.

1,5 Millionen Flaschen Schampanskoje pro Jahr werden hier nach französischem Rezept abgefüllt.

20 Millionen Flaschen pro Jahr mit Charmat-Technologie produziert.

Rund 50 Millionen Euro verzeichnete das Unternehmen letztes Jahr.

Die Abrau-Durso-Weine wurden beim Wettbewerb „Wine & Spirit“ in London mehrfach ausgezeichnet. Koboyan hofft, dass dies ihren Wert auf dem internationalen Markt steigern wird. Inzwischen entwickelt sich Abrau-Durso in seiner Heimat sehr erfolgreich. Im Juni ist das Weingut offizieller Lieferant für die Olympischen Spiele in Sotschi 2014 geworden. 75.000 Flaschen will Titow liefern - und in speziellen Somelier-Workshops die Wissenschaft des kultivierten Sektausschenken weitertragen.

Erfahrung mit gutbetuchter Klientel hat Abrau-Durso genug: Der Schaumwein wird im Kreml serviert, Boris Gryslow, Ex-Vorsitzende der Duma und Pawel Lungin, renommierter Regisseur sind Ehrengäste des Anwesend. Der Premier Wladimir Putin soll gar eine Privatsammlung von auserwählten Jahrgängen in seinem Keller lagern, ebenso der Patriarch Kyrill.

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