Facebook ist für uns kein Konkurrent

Pawel Durow bei der DLD-Konferenz in München. Foto: Pressevideo

Pawel Durow bei der DLD-Konferenz in München. Foto: Pressevideo

Der Gründer von Vkontakte [Im Kontakt] Pawel Durow hält Facebook nicht für einen Konkurrenten. Er bereitet sein Unternehmen für das IPO und den Verkauf von 3% der Aktien vor dem Börsengang des Unternehmens vor. Der Gründer des größten sozialen Netzwerkes in Russland gab Gazeta.Ru auf der DLD-Konferenz in München sein erstes Interview.

Plant Vkontakte 2012 noch immer den Börsengang? Wann, in welchem Umfang und zu welchem Wert? Und werden bereits Verhandlungen mit entsprechenden Banken geführt?

Wir gehen davon aus, dass 2012 oder 2013 eine erste Aktienplatzierung stattfinden kann. Über Details kann ich allerdings noch nichts sagen.

Gibt es Verhandlungen mit Mail.ru (eine der größten Internetunternehmen Russlands) über den Verkauf eines Anteils von Vkontakte? Und wurden nicht auch Verhandlungen mit Google, Yandex oder sonstigen Internet-Unternehmen geführt?

Nein. Momentan finden keine Verhandlungen statt, doch wir können einen kleinen Anteil - ca. 3% - vor dem Börsengang verkaufen, um den Wert des Unternehmens beim Börsengang zu erhöhen.

Bei Vkontakte gibt es viele Gruppen, die in der Kritik stehen, z.B. Gruppen zum Erhalt der Schlankheit und eines Minimalgewichts. Die Leiterin einer solchen Gruppe ist an Magersucht gestorben, woraufhin es viele polemische Reaktionen gab. Tun Ihnen solche Menschen nicht leid? Beabsichtigen Sie angesichts solcher Ereignisse die Einführung von Regeln für die Gruppen in ihrem Netzwerk?

Es gibt bei uns spezielle Beschwerdemöglichkeiten bei solchen Contents - bei Pornos, Spam oder Aufrufen zu Gewalt.

Es ist unmöglich, alle Vorgänge im Netzwerk selbst zu verfolgen. Während wir noch mit der Entfernung bestimmter Gruppen beschäftigt sind, entstehen bereits neue. Stellen Sie sich einmal vor: In jeder Minute gibt es eine halbe Milliarde Mitteilungen, 100 Millionen Eintragungen werden auf den Pinnwänden gepostet und Milliarden von Fotos hochgeladen.

Eine Vorab-Moderation, d.h. eine Moderation vor dem Posten, würde sämtliche Kommunikationsressourcen zunichte machen.

Das soziale Netzwerk Vkontakte steht auf der von der Verwaltung des US-Präsidenten erstellten Liste der weltweit größten Verbreiter von Piratenprodukten. Gibt es Pläne, die Maßnahmen zum Kampf gegen das Piratentum und gegen Nachahmerprodukte auf den Internetseiten von Vkontakte zu intensivieren?

Um ein Produkt als Piratenprodukt bezeichnen zu können, muss man dies zunächst einmal vor Gericht nachweisen.

Wir stehen in Kontakt mit den Rechteinhabern und entfernen Piratenprodukte, wenn die Rechteinhaber dies fordern. Darüber hinaus können russische Rechteinhaber Contents mit Piratenprodukten auch selbst entfernen, wie dies beispielsweise bei dem russischen Fernsehsender TNT der Fall war.

Zudem kann die Hilfe von speziellen Mittelsmännern in Anspruch genommen werden, die bestimmte Contents im Auge behalten.  

Sind die Mitgliederzahlen von Vkontakte in Russland durch Facebook rückläufig? Wer sind zurzeit die Mitglieder des russischen sozialen Netzwerkes?

Nein, Facebook ist für uns kein Konkurrent. Unser größter Konkurrent ist die Website Odnoklassniki[Klassenkameraden].

Die Zahl der Besucher unserer Website wuchs in den vergangenen sechs Monaten um 35%. Die Zahl der aktiven Besucher beläuft sich auf 70 Millionen im Monat bzw. 33 Millionen Nutzer und 150.000 Registrierungen pro Tag.

Das Alter unserer Nutzer hat sich kontinuierlich gewandelt. Es ist äußerst wichtig, permanent neue Nutzer zu gewinnen - momentan sind dies konservative Menschen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren.

Weshalb haben Sie beschlossen, 1 Million Dollar an Wikipedia zu spenden?

Informationen veralten äußerst schnell, z.B. auf Twitter. Informationen auf Wikipedia bleiben wichtig und gewinnen im Laufe der Zeit sogar noch an Relevanz. Zudem gehört diesem kostenlosen "altruistischen" Produkt die Zukunft.

Den Beschluss, diese Summe zu spenden, habe ich selbst getroffen, allerdings musste die Spende zunächst in einem bestimmten Prozedere mit dem Direktorenrat von Wikipedia abgesprochen werden. Dort wollte man sich erst davon überzeugen, dass es sich nicht um Werbung oder Ähnliches handelte.

Wie sieht es im Netzwerk mit dem Schutz persönlicher Daten aus?

Wir erfüllen alle gesetzlichen Vorgaben zum Schutz persönlicher Daten. Die sozialen Netzwerke in Russland konkurrieren miteinander. Und wenn es bei uns undichte Stellen gäbe, würden die Nutzer uns nicht länger vertrauen.

Womit erzielt Vkontakte seine Einnahmen?

50% der Einnahmen stammen aus Kontextwerbung und 50% aus verschiedenen Spielen und diversen Geschenkservice-Angeboten.

Was halten Sie von den Erklärungen russischer Rechtsschutzorgane, denen zufolge die Zentrale Geheimnachrichtenagentur der USA die sozialen Netzwerke als Instrument benutzt, mit dessen Hilfe Einfluss auf Russland ausgeübt werden kann? Und wie stehen Sie ganz allgemein zu der Proteststimmung in den sozialen Netzwerken?

Davon weiß ich nichts. Technisch ist natürlich alles möglich. Wir bemühen uns um eine neutrale Position - wir unterstützen weder die momentane Regierung noch die Opposition.

Ich persönlich würde mich als apolitischen Menschen bezeichnen.

Vielen Dank für das Interview


Vkontakte ist das größte soziale Netzwerk Russlands und wird für Investoren sehr interessant sein - davon ist die Analytistin von Trojka dialog Anna Lepetuchina überzeugt. Nach Angaben von TNS verfügte Vkontakte im November 2011 über 25 Millionen Nutzer, nach Angaben von Comscore sogar über 35,9 Millionen Nutzer. "Täglich besuchen 33 Millionen Menschen die Seiten von Vkontakte", berichtete Durow auf der DLD-Konferenz (Video auf Englisch hier ) und berief sich dabei auf statistische Daten von Liveinternet für Januar 2012.

"Am meisten warten am Internet interessierte Investoren auf den Börsengang von Facebook", meint Lepetuchina, "und Vkontakte sollte seinen Börsengang erst nach Facebook starten, damit mögliche Investoren das russische Netzwerk bewerten können, indem sie sich an den Muliplikatoren des weltweit größten sozialen Netzwerks orientieren können".

Dieser Artikel erschien zuerst bei Gazeta.ru und wurde mit Informationen aus der Tageszeitung Vedomosti erweitert.

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