Putins Armee: Umstrukturierung im Fokus

Foto: Kommersant

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Am 20. Februar wurde Wladimir Putins sechster Zeitungsartikel „Stark sein: Garantien für die nationale Sicherheit Russlands“, welcher der Situation in der Armee und der Verteidigungsindustrie gewidmet ist, veröffentlicht.

Artikel

Wladimir Putin blieb der Tradition treu: Am Montag erschien der sechste Artikel des Ministerpräsidenten für die Rossijskaja gaseta. Nach den Problemen der Wirtschaft, der Sozialpolitik, der Mittelschicht, der nationalen Frage, Demokratie und Staatsaufbau sowie den Herausforderungen des Staates widmete er seine Aufmerksamkeit nun der Armee und der Verteidigungsindustrie.


Seinem Inhalt nach passt sich der neue Artikel des Ministerpräsidenten der Strategie der Umstrukturierung, die in der letzten Zeit in den Streitkräften und im Militärisch-industrieller Komplex zu verzeichnen ist, an.


„Um gut gerüstet zu sein, haben wir umfassende Entwicklungsprogramme für die Streitkräfte und die Modernisierung der Verteidigungsindustrie Russlands ausgearbeitet und umgesetzt“, macht Putin deutlich, „über 23 Billionen Rubel (580 Milliarden Euro) binnen der nächsten zehn Jahre“.


„Die Stabilität der strategischen Atomstreitkräfte ist gewährleistet – sowohl an Land, als auch zu Wasser und in der Luft“, so der Ministerpräsident weiter. Der Anteil moderner landgestützter Raketensysteme ist in den vergangenen vier Jahren bereits von 13 % auf 25 % angestiegen. Es werden noch weitere zehn Raketenregimenter mit den strategischen Systemen Topol-Ì und Jars ausgerüstet werden. In den stragtegischen Luftstreitkräften sind die strategischen Lenkwaffenträger Tu-160 und Tu-95ms im Einsatz, werden aber demnächst modernisiert. Dennoch komme Russland ganz offensichtlich nicht umhin, eine eigene Raketen- und Lenkwaffenabwehr aufzubauen.


In Hinsicht auf die Einberufung zum Grundwehrdienst besteht Uneinigkeit. Die übrigen Präsidentschaftskandidaten machen sich für eine Berufsarmee stark. Der Ministerpräsident dagegen spricht im Rahmen seines Wahlkampfes von einer sukzessiven Verringerung der Zahl der Rekruten. Bis zum Jahre 2020 soll die Zahl der gemusterten Wehrpflichtigen 145.000 betragen.


In seinem Artikel schlägt Putin vor, den Wehrdienst zu einem Privileg werden zu lassen. Es sollen Maßnahmen ausgearbeitet werden, um den Wehrdienstleistenden den Weg zu die „besten Universitäten“ zu ebnen, „staatliche Stipendien“ für das Studium an russischen und ausländischen Business-Hochschulen zu vergeben, sie bei der Einstellung in den Staatsdienst zu bevorzugen und sie in die Personalreserve der Verwaltung aufzunehmen.


Die Reform des Militärisch-industriellen Komplexes werde dazu führen, dass nunmehr staatlich Aufträge nicht nur über ein Jahr, sondern „gleich über drei bis fünf, ja sogar sieben Jahre“ geschlossen werden, damit die Betriebe des Militärs ausgewogener arbeiten können. Doch das sei noch nicht genug. Die militärische Planung und Versorgung der Armee müsse mit der Waffenausrüstung, Militärtechnik und anderen Ressourcen in Einklang gebracht werden. Mit dieser Planung wird sich eine neue zentrale Verwaltungsstelle, Gosoborosakas (Staatlicher Auftraggeber im Verteidigungsbereich) beschäftigen.

Die ungekürzte Fassung erschien zuerst bei Moskowskije Nowosti

Kommentar von Fjodor Lukjanow


Hinweise darauf, dass unsere internationale Politik aggressiver werden wird, hat Putin meiner Meinung nach in seinem Artikel nicht durchblicken lassen. Über die Notwendigkeit, ausländische Raketen- und Lenkwaffenabwehrsysteme zu überwinden, hat er bereits mehrfach gesprochen. Hätte Putin gesagt, wir müssten unser eigenes Raketen- und Lenkwaffenabwehrsystem aufbauen, dann käme dies einer Revolution gleich, die mit exorbitanten Ausgaben verbunden wäre und den Übergang zu einem quasi-sowjetischen Modell bedeutet hätte. Doch davon ist nicht die Rede. Und dass von der notwendigen Konsolidierung des Atomwaffenpotentials zur Neutralisierung einer möglichen Raketen- und Lenkwaffenabwehr des Gegners gesprochen wird, ist nichts Neues.


Das Interessanteste an diesem Artikel erscheint mir nicht die Grundaussage, dass man Stärke beweisen müsse, sondern die Hinweise auf die Reform des Militärisch-industriellen Komplexes. Und zwar konkret, dass Privatunternehmen effektiver arbeiten, dass es einen Wettbewerb geben müsse beim Einkauf von Militärtechnik, die man sowohl bei russischen, als auch bei ausländischen Herstellern einkaufen könne. Das ist meiner Meinung nach der absolut richtige Ansatz, der wesentlich wichtiger ist, als die allgemeinpolitischen Floskeln. Weil das System, dass sich bei uns herausgebildet hat, und in dem der Militärisch-industrielle Komplex zur Hälfte aus Staatsbetrieben und zur Hälfte aus Privatfirmen besteht, die in ein gigantisches Staatsunternehmen zusammengefasst sind, nicht effektiv ist und einfach nicht funktioniert.


Leider fehlt in diesem Artikel ein wichtiger Punkt: die Notwendigkeit der zivilen Kontrolle und der zivilen Partizipation an der Armee, die Notwendigkeit, all diese Strukturen der Gesellschaft unterzuordnen. Aber andererseits: Hätte Putin dies in seinem an die Militärs gerichteten Wahlkampfartikel geschrieben, hätte er bei diesen möglicherweise genau den gegenteiligen Effekt bewirkt!

Fjodor Lukjanow ist der Chefredakteur der Zeitschrift "Russia in Global Affairs".

Der Kommentar erschien zuerst bei Forbes

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