Bild: Alexej Jorsh
Wenig spürbare Verbesserungen im Kampf gegen die Korruption beklagte der russische Generalstaatsanwalt Jurij Tschajka auf einer Tagung des zentralen föderalen Regierungsbezirks am 26. Februar. Er verglich dabei die Situation mit dem ersten Halbjahr 2011 als auf einer ähnlichen Tagung die Staatsanwaltschaft des Regierungsbezirks von ihm wegen ihrer mangelnden Aktivität im Kampf gegen die Korruption kritisiert worden war.
Besondere Bedenken äußerte Tschajka bezüglich der angeblichen Verbesserung der Kennziffern, seien ihm doch die Manipulationen der Statistik durch die Strafverfolgungsbehörden sehr gut bekannt. Als Beispiele führte der Generalstaatsanwalt die Verringerung der aufgedeckten Fälle von Bestechung um ein Drittel und den Rückgang der Zahl registrierter Straftaten von Korruption um 18% im Jahre 2011 an.
„Es wissen doch alle ganz genau, wie die Strafverfolgungsbehörden in solchen Fällen vorgehen. Zuerst wird jemand wegen einer lächerlichen Summe festgenommen, wobei der Betreffende zur Tat nahezu provoziert wird. Dann kommt es zu einem Schnellverfahren und in dessen Ergebnis zu einem liberalen Urteil. Auf diese Art werden positive Statistiken erzeugt, die nicht die tatsächlichen Ergebnisse im Kampf gegen Bestechungsdelikte widerspiegeln“, beschwerte sich Tschaijka.
Die magere Bilanz Tschajkas im Antikorruptionskampf deckt sich mit den Einschätzungen der Direktorin des russischen Büros von Transparency International, Jelena Panfilowa. „Vieles wird nur gemacht, damit man in den Berichten ein Häkchen setzen kann. Deshalb gab es bislang auch keinen wirklichen Durchbruch“, erklärte sie der Zeitung Kommersant.
Nach Auffassung Panfilowas wurde nur ein wichtiger Punkt des aktuellen Plans erfüllt, Russlands Beitritt zur Konvention „Bestechung ausländischer Angestellter des öffentlichen Dienstes“ der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). „Das hat zu einigen wirksamen Änderungen in der russischen Gesetzgebung geführt“, räumt die Menschenrechtsaktivistin ein. Noch wichtiger für Panfilowa ist, dass eine Arbeitsgruppe der OECD nun zweimal pro Jahr die Umsetzung der Rechtsnormen in Russland kontrollieren wird. „Alle anderen Maßnahmen im Kampf gegen die Korruption sehen nur auf dem Papier positiv aus“, resümiert Jelena Panfilowa enttäuscht.
Der Präsidentenberater Arkadij Dworkowitsch hingegen erklärte gegenüber der Zeitung Kommersant, dass der im Jahre 2010 beschlossene neue Nationalplan und die nationale Strategie „konsequent umgesetzt“ worden seien. So seien beispielsweise die Anforderungen an die Beamten verschärft worden. Zudem seien Regelungen eingeführt worden, die es ermöglichen, Interessenskonflikte von Staatsbediensteten effektiver aufzuspüren und zu klären. In allen föderalen Exekutivbehörden, so Dworkowitsch, wurden Kommissionen zur Einhaltung der Anforderungen an das berufliche Verhalten von Staatsangestellten und zur Klärung von Interessenskonflikten geschaffen.
Auch hätten bereits 15.000 Zivilbedienstete eine Schulung im Rahmen des Antikorruptionsprogrammes absolviert. Außerdem sei eine Reihe von Schritten zur Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit von Einkommenssteuererklärungen eingeleitet worden. 2011 habe die Anzahl der Überprüfungen um mehr als 20 % auf fast 50.000 zugenommen. Nach Informationen des Präsidentenberaters wurden auch Maßnahmen zur Beteiligung der Zivilgesellschaft am Antikorruptionskampf beschlossen. So würden auf den Internetseiten der meisten Behörden Beschwerde-Hotlines angeboten. Der Großteil der Beschwerden betreffe die Korruption im Innenministerium und bei den Gerichtsvollziehern.
Präsident Medwedew wird wohl weder der entmutigenden Einschätzung Jurij Tschajkas zustimmen, noch mit der Umsetzung des Nationalplans zufrieden sein. Ungeachtet der Vielzahl der Antikorruptionsinitiativen des Präsidenten, die sogar über die Forderungen des Nationalplans hinausgingen, wie die Einführung von Busgeldern für die Entgegennahme, Vermittlung und Zahlung von Schmiergeldern in mehrfacher Höhe des betreffenden Betrages bis hin zur Entlassung von Beamten wegen falscher Einkommensteuerklärungen und aufgrund von Vertrauensverlust, wurden bei weitem nicht alle seine Forderungen umgesetzt.
So wurden vom Justizministerium bis heute weder Empfehlungen, noch Gesetzesvorlagen zur Regelung der Lobbyisten-Tätigkeit vorgelegt. Und die Generalstaatsanwaltschaft ist nicht wesentlich bei der Rückführung illegal erworbenen Eigentums in die Russische Föderation weitergekommen.
Was den neuen Nationalplan betrifft, so werden in ihn nach Informationen der Zeitung Kommersant neben den unerledigten Teilen aus dem vorhergehenden Plan auch Vorschläge des Präsidenten einfließen, die dieser Ende letzten Jahres unterbreitet hatte.
So hatte Dmitrij Medwedew in einer Weisung an den Föderationsrat vom 22. Dezember 2011 angeordnet, eine Kontrolle über größere Ausgaben von Staatsbediensteten einzuführen. Die Ausarbeitung der entsprechenden Gesetzesvorlage durch die Präsidentenverwaltung und die Festlegung von Verantwortlichkeiten in Fällen illegaler Bereicherung, wie dies durch die UN-Konvention für den Antikorruptionskampf empfohlen wird, ist bereits weitgehend abgeschlossen. Der Präsident hat auch noch andere wegweisende Vorschläge gemacht, zum Beispiel die Pflicht für Richter, alle Anrufe „von oben“ zu registrieren, um damit, so das Kalkül des Präsidenten, „die Lust dazu zu nehmen“.
Dieser Artikel erschien zuerst bei der Tageszeitung Kommersant.
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