Sergej Mironow droht auch in seiner Partei die Abwahl nach seiner Pleite bei der Präsidentenwahl. Foto: www.spravedlivo.ru
Seit Monaten toben beim Gerechten Russland die Flügelkämpfe. Während sich ein Teil der Partei aktiv an den Protesten der außerparlamentarischen Opposition gegen die mutmaßlichen Wahlmanipulationen beteiligt, steht der andere Teil nach wie vor fest zum Kreml, der einst die Gründung der Partei initiiert hatte.
2006 ist Gerechtes Russland als Fusion der Russischen Rentnerpartei, der „Partei des Lebens" und der Partei Rodina (Heimat) entstanden. Sie galt als Versuch des Kremls, eine sozialdemokratische Partei aufzubauen, die ein Gegengewicht zu der bereits bestehenden konservativen Kremlpartei „Einiges Russland" darstellen sollte. Als Vorsitzender wurde der Putin-Vertraute Sergej Mironow eingesetzt, der als Chef des Föderationsrats zu dem Zeitpunkt nominell der drittwichtigste Politiker Russlands war.
Die Schaffung des geplanten Zweiparteiensystems – nach dem Vorbild der USA – misslang am Ende, weil sich Putin 2007 entschied, die Partei Einiges Russland bei der Dumawahl als (offiziell freilich parteiloser) Spitzenkandidat anzuführen. Das war das Signal für viele Spitzenbeamte, der kleineren Kremlpartei den Rücken zu kehren. Gerechtes Russlan blieb freilich kremlnah.
Gerechtes Russland lernt Opposition
Erst als im Wahlkampf 2011 die Umfrageergebnisse nach unten zeigten und zwischenzeitlich sogar der Einzug ins Parlament fraglich schien, schärfte die Partei ihr Oppositionsprofil. Die Parteisprecherin Oksanna Dmitrijewa und die Abgeordneten Gennadi Gudkow und Ilja Ponomarjow griffen die herrschende Beamtenkaste in den Debatten scharf an. Das wurde von den Wählern belohnt. Viele Protestwähler stimmten im Dezember für Gerechtes Russlanв, die Partei wurde die drittstärkste Kraft im Parlament. Führende Politiker der Partei beklagten nach der Wahl aber massive Manipulationen zugunsten von Einiges Russland.
Während sich so ein Teil der Partei der ausserparlamentarischen Opposition anschloss und u.a. Fraktionsvize Gudkow von sich aus anbot, sein Mandat aus Protest niederzulegen, bewies Sergej Mironow Kremlnähe und erklärte Gudkows Protest zur Einzelmeinung. Zugleich ließ er sich zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei küren – zum zweiten Mal, nachdem er bereits 2004 angetreten war, damals mit der originellen Begründung, er wolle Putin unterstützen.
Auch der erneute Antritt kann nach seinem enttäuschenden Abschneiden (3,8 Prozent) wohl nur als Unterstützung Putins gewertet werden. Experten hatten bereits im Vorfeld erklärt, dass Dmitrijewa oder Gudkow Putin potenziell mehr Stimmen abnehmen könnten als der farblose Apparatschik.
Abwahl Mironows eine Frage von „Leben und Tod"
Nun gärt es in der Partei: „Für uns geht es um Leben und Tod. Wenn wir uns jetzt nicht mit anderen Linksparteien vereinigen, dann wird Gerechtes Russland einfach zerstört. Die Partei kann kein Leader führen, der bei der Bevölkerung nur ein Rating von drei Prozent hat", sagte ein hochgestelltes Parteimitglied der Tageszeitung „Iswestija".
Gennadi Gudkow protestiert auf der Straße mit. Foto: www.spravedlivo.ru
Seinen Angaben nach habe die einfachen Parteimitglieder auch das Auftreten Mironows nach der Wahl enttäuscht. Mironow hatte noch in der Wahlnacht gesagt, er habe den Wahlsieg Putins auch in dieser Höhe voraus gesehen. Laut Mironow hat Putin im Wahlkampf Positionen von Gerechtes Russland übernommen, er werde ihn daher bei der Umsetzung seines Programms unterstützen, erklärte Mironow. Er riet den Parteimitgliedern, sich nicht an den Demos zu beteiligen.
Das dürfte ihn das Amt kosten. Schon im Wahlkampf hieß es hinter vorgehaltener Hand, dass Gudkow und andere Parteiführer ein schlechtes Ergebnis von Mironow gefallen würde, weil sie damit die Handhabe hätten, ihn abzusetzen.
Nach dem Bekanntwerden der Ergebnisse klingt seine Ansprache härter: „Die Präsidentschaftswahl hat gezeigt, dass das Volk neue Gesichter sehen will. Die vielen Stimmen für Putin sind ein Anzeichen dafür, dass die existierenden Gegenkandidaten nur noch für wenige als Alternative glaubhaft sind." Damit könnte sich Gudkow selbst als Nachfolger ins Spiel bringen. Seinen Angaben nach wird derzeit an einem Plan zu einer Fusion von Gerechtes Russland mit anderen außerparlamentarischen linken Kräften, aber auch mit im Parlament vertretenen Strukturen gearbeitet.
Theoretisch ist damit auch eine Fusion zwischen Kommunisten und Gerechtes Russland möglich, immerhin hat auch der „ewige Zweite" KP-Chef Gennadi Sjuganow schlechter abgeschnitten als seine Partei bei der Dumawahl. Damit bahnen sich auch bei der Kommunistischen Partei Veränderungen an.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Russland Aktuell.
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