Protest-Stimmung schmilzt

Protestdemo am 10. März. Foto: Ilja Warlamow/ Ridus

Protestdemo am 10. März. Foto: Ilja Warlamow/ Ridus

Am Wochenende brachte die wohl letzte große Kundgebung nur noch 10.000 bis 25.000 Demonstranten gegen Putins Wiederwahl auf die Beine. Nächste große Kundgebung ist für den Mai geplant. Die Opposition stellt sich die Frage, wie es nun mit den Protesten bzw. der Oppositionsarbeit weiter gehen soll.

Die mit bis zu 50.000 Teilnehmern angemeldete Kundgebung auf dem Neuen Arbat am Samstag Mittag verlief ohne Zwischenfälle und Festnahmen. An der Metrostation Arbatskaja wurde allerdings Sergej Udalzow, der Anführer der „Linken Front" mit einigen Mitstreitern festgenommen, nachdem er auf das Absperrgitter am Verteidigungsministerium geklettert war. Von dort hatte er seine Anhänger aufgefordert, zum Puschkinplatz zu ziehen und dort „darüber zu reden, wie es weiter gehen soll". 25 Personen wurden festgenommen, abe alsbald wieder auf freien Fuß gesetzt. Außerdem zog eine Gruppe Nationalisten mit einer Riesenflagge demonstrativ von der oppositionellen Kundgebung ab und versuchte, einen Marsch durch die Straßen zu unternehmen, was ebenfalls unterbunden wurde.

Auf der Veranstaltung berichteten vor allem Wahlbeobachter von ihren Erlebnissen – positiven wie negativen. Ein Anktivist der „Blauen-Eimer-Bewegung" (Bewegung gegen Blinklichtmißbrauch) berichtete, in seinem Wahllokal hätte es bei den Duma-Wahlen ein Ergebnis von 85 Prozent für die Putinnahe Partei Einiges Russland gegeben – und jetzt, bei der Präsidentenwahl dank des massiven Aufgebots von Beobachtern, „ehrliche 48 Prozent".

Andere Redner berichteten, dass sie bei parallel stattfindenden Wahlen zu Stadtteil-Gremien die bisher unangefochtene Machtposition von Einiges Russland aufgebrochen hätten. In Schtschukino würden jetzt beispielsweise sieben unabhängige Deputierte acht ER-Leuten gegenüber sitzen.

Andere Zeugen erzählten von massenweise herangefahrenen Stimmvieh der „Karusselle" (mehrfache Abstimmung) und den vor allem in St. Petersburg wieder bemerkten nachträglichen Manipulationen an den Wahlergebnissen. Putins Wahlsieg sei "gestohlen" und "ein Verbrechen", sagten manche Redner.

Der Schwung ist raus, die Reihen lichten sich

So engagiert Redner und Zuhörer auch waren, ein Rückgang der Demonstrationsfreude und der Aufbruchstimmung war unverkennbar. Beobachter bemerkten, dass es kaum noch phantasievolle Plakate und Losungen gab. Mit 10.000 (Nach Polizeiangaben) bis 25.000 (nach Angaben der Organisatoren) Teilnehmern war die Aktion zahlenmäßig nicht mehr so eindrucksvoll wie die vorherigen Demos.

Die Organisatoren zeigten sich dennoch zufrieden, denn „man muss verstehen, dass die Menschen in dieser Zahl schon das sechste Mal auf die Straße gehen, was bedeutet, dass das alles nicht zufällig ist", so der Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow.

In St. Petersburg und Nischni Nowgorod fanden nur kleine nicht genehmigte Demonstrationen radikaler Gruppierungen statt, die schnell von hart eingreifenden Polizeikräften aufgelöst wurden. 60 Personen, die über den Newski Prospekt in Sankt Petersburg ziehen wollten, wurden festgenommen. In Nischni Nowgorod kam es zu einer ähnlichen Situation, hier gab es etwa 85 Festnahmen.

Auf der Moskauer Kundgebung wurde zum einen eine Bilanz der Wahlen wie auch der Errungenschaften der Protestbewegung gezogen. Darüber stand aber die große Frage, wie es nun mit den Protesten bzw. der Oppositionsarbeit weiter gehen soll.

Udalzow will 1.-Mai-Märsche umpolen

Links-Aktivist Sergej Udalzow war der einzige, der konkret zu neuen Straßenprotesten aufrief – aber auch diese erst nach einer längeren Denkpause: Zum 1. Mai, eine Woche vor der Amtseinführung von Putin als Präsident, sollten die Russen einen „Marsch der Millionen" mobilisieren und selbigen mit einem Generalstreik begleiten.

Andere Teile der Bewegung setzen jetzt auf die juristische Arbeit beim Anfechten von manipulierten Wahlergebnissen. TV-Star Xenia Sobtschak appellierte hingegen an die Menge, eine Bewegung zu schaffen, die „für" und nicht „gegen" sei – in dem sie „unabhängige Gerichte, freie Medien, Aufstiegschancen für die Jugend und eine umfassende politische Reform" einfordere. Wenn dies nicht gelinge, sei „alles umsonst" gewesen.

Nächster Kampfort - das Stadtparlament?

Da an Putins Wiedereinzug in den Kreml nichts mehr zu rütteln ist, zeichnet sich in der Protestbewegung eine Umorientierung auf die Kommunalpolitik ab. Von verschiedenen Seiten wurde bereits an die Kommunistische Partei appelliert, ihre drei Abgeordneten im Moskauer Stadtparlament zum Rücktritt aufzufordern.

Da dies die einzige Oppositionsvertretung in dem sonst nur mit „ER"-Leuten besetzten Parlament ist, würde dies zu einer Auflösung der Kammer und damit zu Neuwahlen führen. Angesichts der Proteststimmung in Moskau (wo Putin nur 48 Prozent erhielt), hofft man dann, im Stadtparlament völlig neue Mehrheitsverhältnisse schaffen zu können.

Eine oppositionelle Stadtduma könnte dann zum Beispiel dem Kreml die Zähne zeigen und für Veränderungen sorgen, in dem sie für eine Abberufung des Bürgermeisters Sergej Sobjanin sorgt.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Russland Aktuell.

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