Stellvertretende Leiter der Föderalen Tourismus-Agentur Russlands Evgeny Pisarewskij. Foto: Olga Vaulina
Russland ist Stammgast auf der Internationalen Tourismus Börse in Berlin. Wie bewerten Sie Ihre Teilnahme in diesem Jahr?
Die Russische Föderation war auch in diesem Jahr wieder stark auf der ITB vertreten. Der Schwerpunkt lag dabei auf den russischen Regionen. Vor allem hinter dem Ural gibt es viele wunderschöne Gegenden, die bisher wenig bekannt sind, wie die Halbinsel Kamtschatka, die Regionen Perm und Altai. Wir haben den Tourismus-Unternehmen die Aufgabe gestellt, innovative Produkte zu entwickeln, die das Bild von Russland in der Welt erweitern, die traditionellen Vorstellungen von unserem Land, wie Bären, Balalaika, Kaviar, bewahren, aber auch zeigen, was das in den vergangenen zwanzig Jahren entstanden ist. Zur Erfüllung dieser Aufgabe wurde im vergangenen Jahr ein Zielprogramm zur Entwicklung des Tourismus bis 2018 angenommen.
Wie schätzen sie die Entwicklung des Tourismus zwischen Russland und Deutschland ein?
Im Jahr 2011 gab es im Vergleich zum Vorjahr einen spürbaren Anstieg der Touristenströme. Nach Deutschland reisten über 1 200 000 Russen, was eine Zunahme von fast dreißig Prozent bedeutete, in unser Land kamen 620 000 deutsche Touristen und damit 2,5 Prozent mehr als 2010.
Die Deutschen sind uns herzlich willkommen, nicht nur weil sie in jeder Beziehung uns nahe stehende Partner in der Europäischen Union sind. Dass gerade die Deutschen auch an der Welt hinter dem Ural interessiert sind, zeigen die langen Wartelisten für Fahrten mit der Transsibirischen Eisenbahn, ungeachtet der relativ hohen Preise.
Neben Deutschland und der Europäischen Union sind aber auch der asiatische Raum, vor allem China und Indien, perspektivreiche Partner im Tourismus. Bis 2020 wird nach unseren Prognosen die Zahl ausländischer Touristen in Russland auf 40 Millionen im Jahr steigen.
Diese vielen Touristen müssen aber untergebracht werden und wollen etwas geboten bekommen...
Das stimmt. Wir befinden uns immer noch im Übergang vom so genannten sozialen Tourismus, wie er für die Sowjetunion typisch war und der vor allem auf die eigene Bevölkerung ausgerichtet war, zum internationalen kommerziellen Fremdenverkehr. Natürlich ist das in unserem riesigen Land keine kurzfristig zu lösende Aufgabe. Vor allem in Sibirien kommen viele neue touristische Ziele hinzu, bei denen die entsprechende Infrastruktur erst noch geschaffen werden muss. Hier setzen wir vor allem auf privat-staatliche Partnerschaft. Der Staat übernimmt die ingenieurtechnische Erschließung der Grundstücke, der private Anleger baut die Hotels und Freizeiteinrichtungen. Das werden nicht nur Großprojekte sein - das Beispiel St. Petersburg hat gezeigt, dass gerade kleine und mittlere Hotels von den Gästen gut angenommen werden. Hier sehe ich ein weites Betätigungsfeld auch für kleine und mittlere Unternehmer. Auch deutsche Investoren sind herzlich eingeladen. Zu diesem Zweck werden wir im April eine Konferenz zur Entwicklung des Tourismus durchführen.
Wie wollen Sie die Sicherheit der Touristen und den Schutz ihrer Rechte gewährleisten?
Das ist in der Tat eine vorrangige Aufgabe. Dafür schaffen wir jetzt die rechtlichen Voraussetzungen. Eine internationale Konferenz im November vergangenen Jahres in Sankt Petersburg bescheinigte uns, dass Russland auf dem richtigen Weg ist. Auf der ITB habe ich an der Beratung einer Arbeitsgruppe teilgenommen, die eine globale Konvention zum Schutz der Rechte von Touristen vorbereitet. Russland hat hier zahlreiche Ideen eingebracht. Eine konkrete Maßnahme, um den Touristen in Russland maximale Sicherheit und Komfort zu bieten, ist die Einführung der Klassifizierung von Hotels nach internationalen Standards. Jeder Gast soll bei der Buchung sofort wissen, was er bei einem Ein- oder Vier-Sterne-Hotel zu erwarten hat.
Begonnen haben wir in der Olympiastadt Sotschi und die Erfahrungen dort sollen möglichst schnell auf das ganze Land angewandt werden, denn schon 2018 steht in Russland mit der Fußball-Weltmeisterschaft das nächste sportliche Großereignis an.
Sie blicken demnach optimistisch in die Zukunft des Tourismus in Russland?
Natürlich. Sicher wünschen wir uns, dass es noch schneller vorangeht. Aber das neue Russland ist weltoffen, heißt alle Gäste und auch Tourismus-Investoren willkommen. Sehr hilfreich wäre natürlich auch, wenn es recht bald zu einer generellen Regelung über den Visa-freien Verkehr kommt, die Vision von einem ungehinderten Reisen von Lissabon bis Wladiwostok Wirklichkeit wird. Die Touristen aus Russland gehören im Wesentlichen der Mittelschicht an, bei ihnen stellt sich die Frage einer Einwanderung nach Deutschland und Europa überhaupt nicht. Übrigens geben russische Touristen jährlich in ihren Urlaubsländern die nicht geringe Summe von elf Milliarden Euro aus, was auch ein Beitrag zur Entwicklung des Tourismus in diesen Ländern ist.
Die auf der diesjährigen ITB abgeschlossenen Vereinbarungen und geknüpften Kontakte mit Partnern aus aller Welt sowie das große Besucherinteresse stimmen uns optimistisch, dass Russland seine Attraktivität als Reiseland in den kommenden Jahren weiter erhöhen kann.
Evgeny Pisarevskiy ist seit mehr als 20 Jahren im Tourismusbereich tätig. Unter seiner Leitung widmet sich Rostourism staatlichen Aufgaben wie dem Schutz der Rechte und Interessen von Touristen sowie der Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Tourismusbranche.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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