Russlands Optionen in der Syrienfrage

Bild: Alexej Jorsch

Bild: Alexej Jorsch

Zwei Experten äußern ihren Standpunkt zu der Frage, wie die Optionen Russlands im Syrienkonflikt aussehen und was dabei für das Land auf dem Spiel steht.

Vergangene Woche haben die  Gegner des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad erstmals offen zu einer ausländischen militärischen Intervention aufgerufen. Dabei hat die größte oppositionelle Organisation, der Syrische Nationalrat (SNC) mit Basis in Istanbul, eine kriegerische Einmischung nicht nur durch die arabischen, sondern auch die westlichen Staaten verlangt. Der Aufruf des SNC kam unmittelbar nach dem Auftreten eines Informationslecks im Pentagon, wonach Pläne über eine Militäroperation in Syrien bestünden.

Amerikanischen Quellen war zu entnehmen, der syrische Präsident habe

die Vorschläge des Sondergesandten der UNO und der Arabischen Liga Kofi Annan über ein Beenden der Gewaltspirale abgelehnt. Gemäß Schätzungen der UNO sind seit Beginn der Unruhen in Syrien über 7500 Menschen umgekommen. Die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien beträgt ca. 30.000 und die der innerhalb des Landes Migrierten rund 200.000. Vieles spricht dafür, dass der Bürgerkrieg in Syrien zu einem schweren Konflikt mit internationaler Beteiligung werden kann. Vor diesem Hintergrund lassen wir zwei russische Experten ihre Meinung über die Bedeutung des Syrienkonflikts für Russland darlegen.

Stanislaw Belkowskij, Direktor des Instituts für nationale Strategien:


«Russland wird durch den Krieg in Syrien nichts verlieren, da es keine Supermacht ist und de facto heute über keinen Einfluss im Nahen Ost verfügt. In der Region verfolgt Russland weder strategische noch politische Interessen. Die Waffenlieferungen erscheinen als Hauptproblem, doch russische Waffentechnik ist veraltet, eigentlich wird die von keinem gebraucht. Außerdem würde auch eine neue syrische Regierung unsere Waffen kaufen, da für Technologien aus anderen Herstellerländern schlicht das Geld fehlt. Falls wir unsere imperialen Nachwehen endlich loswerden und im UNO-Sicherheitsrat einer militärischen Intervention endlich grünes Licht geben, gewinnen wir sogar ein wenig internationale Anerkennung. Die russische Führung wird sich jedoch kaum zur Unterstützung einer Intervention durchringen, da Putin sich selbst jede Sekunde vor einem Regimewechsel von außen fürchtet. Somit läuft alles darauf hinaus, dass wir weder etwas gewinnen noch etwas verlieren werden.»

Jewgeni Satanowskij, Präsident des Nahost-Instituts:


«Russland verliert durch den Krieg in Syrien die Möglichkeit, ein weiteres Mal auf die Nase zu fallen. Wir sind ein emotionales Land, das einmal hastig nach Freunden sucht und ein andermal sich von lauter Verschwörern umzingelt sieht. Was wir brauchen ist eine ruhige und selbstsichere Politik, die unabhängig ist von dem, was uns andere aufschwatzen wollen. Genau das hat die russische Diplomatie beim Thema Syrien erreicht. Es wäre eine Illusion zu behaupten, die arabische Welt sei unser Freund, und dort nach irgendwelchen Vorteilen zu suchen. Es ist zu bezweifeln, dass die Milliarden von Dollars, die noch zu sowjetischer Zeit in der Region versenkt wurden, jemals in irgendeiner Form zurückkommen.

Beim syrischen Dilemma hat sich Russland pragmatisch verhalten und eine konservative Politik verfolgt – à la Thatcher oder gar Churchill, wenn Sie so wollen. Eine Politik, die sich auf die Realität stützt, und nicht auf die Idee, dass irgendwelche Kontrollstrukturen – seien dies nun Twitter und Facebook oder die NATO und die Arabische Liga – über die Entscheidungsgewalt verfügen sollen, was mit dem einen oder anderen Territorium geschehen soll. Man muss sich damit abfinden: Die USA und Europa treiben das gleiche Spiel wie einst die Sowjetunion. Und sie fahren sich heute in die gleichen ideologischen und politischen Sackgassen, wie wir es einst taten. Heute sind wir im Gegenteil auf einen äußerst beharrlichen, ruhigen Kurs eingeschwenkt. Es ist sinnlos, ständig herumzuhasten und zu glauben, man könne etwas verlieren. Gerade das wäre am verlustbringendsten.»

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Kommersant Dengi.

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