Syriens letzte Chance

Dmitri Medwedjew und Kofi Annan. Foto: AP

Dmitri Medwedjew und Kofi Annan. Foto: AP

Syrien-Diplomatie: Moskau will eine äußere Einflussnahme auf den politischen Prozess im Land verhindern und die Bedingungen dafür schaffen, dass die Syrier selbst bestimmen, wer das Land regieren soll. Die Amerikaner wollen zunächst vor allem Assad loswerden.

Die Mission des Sonderbeauftragten der UNO und der Arabischen Liga, Kofi Annan, ist möglicherweise „die letzte Chance für Syrien, einem langwierigen blutigen Bürgerkrieg aus dem Wege zu gehen“. Dies erklärte der russische Präsident, Dmitrij Medwedjew, während seines Treffens mit Annan am vergangenen Sonntag in Moskau. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich offensichtlich Moskaus Besorgnis vor einer sich anbahnenden Eskalation der Gewalt in Syrien, auch wenn der Westen seine Position in Bezug auf Damaskus etwas entschärft hat.

Der Aufruf Moskaus,  die Gefahr eines Bürgerkrieges abzuwenden, erklang auch am 26. März bei einem Treffen Medwedjews mit US-Präsident Barak Obama in Seoul. „Wir müssen so handeln, dass keine noch größeren Probleme entstehen und uns bemühen, die Gefahr eines Bürgerkriegs, die zurzeit in Syrien real existiert, nicht zur Wirklichkeit werden zu lassen“, erklärte der russische Präsident. In der Antwort Obamas traten Nuancen zu Tage, die den Unterschied zwischen der russischen und der amerikanischen Position in Bezug auf Syrien verdeutlichen.

Laut dem amerikanischen Präsidenten besteht die gegenwärtige Kernaufgabe darin, auf die Schaffung eines Mechanismus hinzuwirken, der es dem syrischen Volk gestattet, „legitimierte Vertreter und eine legitimierte Regierung zu haben“.

Zwischen den Zeilen gelesen bedeutet das eine absolute Ablehnung des gegenwärtigen syrischen Präsidenten Bashar al-Assads als Oberhaupt des Landes. Wie erklärte doch die offizielle Vertreterin des US-Außenministeriums, Victoria Nuland, am 22. März: „Um ehrlich zu sein: Wir wollen nicht, dass Präsident Assad Syrien noch bis zum politischen Machtwechsel regiert“.

Vor dem Treffen mit Medwedjew hatte der amerikanische Präsident mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan die Möglichkeiten einer „nichtmilitärischen“ Unterstützung für die syrischen Aufständigen erörtert. Wichtig ist hierbei nicht der Inhalt der Hilfe, sondern eher die Tatsache der türkischen Beteiligung an diesem Konflikt.

Vor diesem Hintergrund geht es Moskau vor allem darum, die Unzulässigkeit einer „externen Versorgung“ der syrischen Opposition und der „Unterstützung durch die internationale Staatengemeinschaft“ einer der beiden Konfliktparteien zu betonen, wie der Assistent des russischen Präsidenten, Sergej Prichodkao, jüngst mitteilte.

Die russische Position macht sich nicht daran fest, ob Moskau Bashar al-Assad liebt oder nicht. Russlands Außenminister Sergej Lawrow wird nicht müde zu wiederholen, dass er nicht der Anwalt des gegenwärtigen Regimes in Damaskus sei. Und die Erklärung Medwedjews bezüglich der letzten Chance für Syrien ist an beide Konfliktparteien adressiert. Moskau liegt vor allem daran, keine äußere Einflussnahme auf den politischen Prozess in Syrien zuzulassen und die Bedingungen dafür zu schaffen, dass die Syrier selbst bestimmen, wer das Land regieren solle.

Die USA ihrerseits lassen im Grunde genommen von ihrer Forderung nach einem Rücktritt Assads nicht ab.  Das lässt die Vermittlungsbemühungen – sowohl von Seiten Moskaus, als auch von Seiten der Arabischen Liga und der  UNO – von vornherein scheitern.

Nach Ansicht von Botschafter Pogos Akopow, Präsident der Vereinigung russischer Diplomaten, hängen die Zukunftsaussichten in Syrien davon ab, ob die Konfliktparteien sich an den Verhandlungstisch setzen oder nicht. „Die Opposition hat daran kein Interesse. Das ist ein innenpolitischer Einflussfaktor. Als äußerer Einflussfaktor kommt das öffentlich von den USA propagierte Ziel hinzu, Assads Rücktritt zu erzwingen. Solange die USA nicht von dieser Position zurücktreten, sind keinerlei Fortschritte zu erwarten“, unterstrich Akopow, der bereits zweimal russischer Botschafter im Nahen Osten war.

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Dass das politische Schicksal Assads ein Schlüsselproblem bei der Lösung des syrischen Problems ist, hat man offensichtlich auch in der Liga der Arabischen Staaten verstanden. Wie deren Generalsekretär, Nabil al-Arabi, am vergangenen Sonntag in einem Interview mit arabischen Massenmedien erklärte, wird der in dieser Woche in Bagdad stattfindende Gipfel der Organisation nicht den Rücktritt von Präsident Bashar al-Assad fordern. Auf die Frage, ob es denn tatsächlich unwahrscheinlich sei, dass die Arabische Liga den Rücktritt Assads verlangen wird, antworte er: „Ja, das ist richtig“.

Es ist zu erwarten, dass der Kurs der Nichteinmischung in die syrischen Angelegenheiten von außen und der Aufnahme von Verhandlungen auch auf dem Gipfel der BRICS-Staaten bekräftigt werden wird. Das Treffen findet vom 28. bis 29. März in Delhi statt. Für den 1. April ist eine turnusmäßige Zusammenkunft der „Freunde Syriens“ geplant, bei der man sich auf eine andere Herangehensweise einigen könnte.

Wahrscheinlich werden die Beschlüsse der Arabischen Liga, der BRICS-Staaten und der „Freunde Syriens“ zusammen genommen die Richtung für die Lösung des syrischen Problems und das Schicksals Assads vorgeben.

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