Von der Unternehmerin zur Politikerin: Irina Chakamada. Foto: ITAR-TASS
Irina Chakamada ist wahrscheinlich eine von Russlands prominentesten Frauen. Sie war eine erfolgreiche Unternehmerin, Vizesprecherin der Staatsduma (was in Deutschland einem stellvertretenden Parlamentspräsidenten entspricht) und sogar Präsidentschaftskandidatin. Jetzt hat sich Chakamada größtenteils vom öffentlichen Leben zurückgezogen, ist aber immer noch eine einflussreiche Person; sie hat sich als eine Lehrerin wieder erfunden und veranstaltet Workshops in der Kunst der Geschäftspsychologie und -kommunikation. Der rote Faden, der alle ihre Kurse durchzieht, ist die Kunst des Vermittelns. „Achtzig Prozent des Geschäftserfolgs hängt von erfolgreicher Kommunikation ab, und der größte Teil der russischen Unternehmer versagt während der meisten Verhandlungen,“ erklärt Chakamada. „Der Grund ist nicht, dass sie vielleicht ineffizient wären. Sie sind in der Regel ganz einfach nur unfähig zu kommunizieren.“
Chakamada hatte bereits einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und an der Lomonossow-Universität promoviert, als Russland sich in eine Marktwirtschaft verwandelte. 1997 wurde sie Chefin des Staatlichen Komitees zur Förderung der klein- und mittelständigen Unternehmen. Ihrer Meinung nach besteht das Hauptproblem auf föderaler Ebene nicht darin, dass einige Gesetze gut sind und andere schlecht, sondern dass sie zu häufig geändert werden. „Die Regeln, einschließlich in der Steuergesetzgebung, werden jedes Jahr verändert,“ sagt sie. „Regeln sollten einmal pro Jahrzehnt angepasst werden.“
Chakamada sagt, dass es Geschlechterdiskriminierung sowohl im Geschäftsleben, als auch in der Politik gäbe, und, da es keinen Geschlechtsunterschied bei der Fähigkeit einer Person gibt, unternehmerisch erfolgreich zu sein, beharrt sie darauf: „Frauen sind bessere Unterhändler; sie sind nicht so ehrgeizig und schneller bereit, einen Kompromiss zu akzeptieren; ihnen fällt es auch leichter, den psychologischen Typ ihres Gegners besser zu 'scannen', sich daran anzupassen und letztendlich zu bekommen, was sie wollen.“
Chakamada glaubt, dass ihre unternehmerische Erfahrung es ihr erschwert hat, in der Politik erfolgreich zu sein. „Man sagte mir, dass Politiker mich nicht verstehen,“ sagte sie, „da ich mich wie ein Geschäftsmann benahm.”
Sie erklärt, dass man in der Geschäftswelt, wenn man ein Geschäft abgeschlossen und es mit Handschlag besiegelt hat, gleich anfängt zu arbeiten, noch bevor der Vertrag unterzeichnet ist. „Das Entscheidende ist, sich durchzurechnen, ob Sie Gewinn machen können und offen zu sagen, ob für Sie etwas bei der Sache raus kommt oder Sie kein Interesse haben,” sagte sie.
„In der Politik ist das anders herum,” erklärt Chakamada. „Alles ist vage: Es ist nicht klar, wo die Interessen der Leute liegen. Jemand nickt, erklärt sich einverstanden und kippt dann den Deal innerhalb von drei Stunden. Es wird das Eine gesagt, aber es bedeutet etwas Zweites und führt zu etwas noch anderem Dritten.“ Vom professionellen Standpunkt betrachtet, besteht Politik aus endlosen Intrigen, erklärt sie. „Als eine Geschäftsfrau fand ich es hart in der Politik. Es ist für alle Geschäftsleute hart in der Politik.“
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