Alexander Radkow. Foto: RIA Novosti
Warum reisen die Menschen nicht nach Russland? Darüber zerbrechen sich die Beamten schon lange die Köpfe. Natürlich gibt es sie, die Touristen. Doch die kommen fast nur nach Moskau und St. Petersburg. Einige Hundert reisen den Goldenen Ring ab, doch in die weiter abgelegenen Regionen Russlands kommt kaum einer. Rosturism hat nun eine Kampagne gestartet und ist dieses Jahr mit der Russian Tourism Roadshow durch Berlin, Paris und London gezogen, um die russischen Regionen zu präsentieren und die Bedürfnisse der europäischen Kundschaft zu erfahren.
Wieso reisen Touristen aus Westeuropa, unter anderem auch die Deutschen, ungern nach Russland?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Der erste ist sehr breit gefasst und hängt mit der Wahrnehmung Russlands in der Welt zusammen. Russlands Image ist leider nicht immer angemessen und zum Teil weit von der Realität entfernt. Es gibt Vorurteile, die noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammen, zum Beispiel darüber, dass Russland ein ungemütliches Land sei. Dass die Menschen dort unfreundlich und die Infrastruktur schlecht sei, dass überall Gefahren lauerten. Diese Vorurteile kann Rosturism nicht im Alleingang lösen. Wir müssen die russische Kultur, unsere Mentalität und unsere Sprache insgesamt fördern. Das zweite Problem liegt im russischen Tourismusangebot, das nicht immer konkurrenzfähig ist, allein schon wegen der Visumspflicht. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt nicht immer. Flugtickets sind zum Beispiel sehr teuer. Dieses Problem behindert übrigens nicht nur den Touristenfluss nach Russland, sondern auch aus Russland heraus. Doch man sollte nicht nur schwarzmalen. Im vergangenen Jahr haben immerhin etwa 630.000 Deutsche Russland besucht, und das ist eine ganze Menge. Deutschland ist auch im Tourismus unser „Hauptlieferant“.
Womit könnten die Flugpreise gedrückt werden?
Ich denke, dass Russlands Beitritt zur Welthandelsorganisation zu einer Erhöhung der Konkurrenz in der Luftfahrt führen wird. Ich bin mir sicher, dass Low-Cost-Airlines auch in Russland entstehen werden. Der Hauptgrund für die hohen Preise ist zweifellos die fehlende Konkurrenz - das Hinzukommen von neuen Playern wird das Problem lindern.
Russland hat begonnen, den Nordkaukasus als Destination intensiv zu vermarkten. Glauben Sie an die Sicherheit in diesem Teil Russlands?
Haben Sie jemals davon gehört, dass in Dagestan auch nur ein Tourist umgekommen ist? Nicht? Dann haben Sie schon die Antwort auf Ihre Frage. Natürlich gibt es im Nordkaukasus nach wie vor Problemzonen. Doch in der Regel werden die Touristen dort nicht hingelassen. Doch wir sind natürlich nicht realitätsfremd und verstehen, dass kurzfristig kein Tourismusboom im Kaukasus zu erwarten ist. Andererseits steht die Olympiade in Sotschi vor den Türen und die anreisenden Gäste werden auch die benachbarten Regionen besuchen. Dann, so hoffen wir, wird das Informationsvakuum, das in Europa bezüglich des Kaukasus herrscht, ein Ende finden.
Während der Russian Tourism Roadshow 2012 interessierten sich die deutschen Besucher vor allem für Hotels der unteren Preisklasse und Hostels. Gibt es davon in Russland nach wie vor zu wenig?
Es gibt Hostels, doch das Problem liegt woanders. Sie sind in den weltweiten Reservationssystemen kaum vertreten, und deshalb kennt sie auch keiner. Wenn man auf einer dieser Seiten nach einem Hostel, sagen wir, in Samara sucht, so wird man nicht fündig. Viele Hostels und Mini-Hotels arbeiten in Russland in der juristischen Grauzone. Um keine Steuern zu zahlen, versuchen sie, ihre Werbung auf ein Minimum zu beschränken. Die Fragen der Legalisierung ihrer Tätigkeit und der Integration in die internationalen Reservationssysteme hängen somit miteinander zusammen. Die Integration hängt zudem von der Erfüllung der internationalen Qualitätsstandards ab. Leider sind nicht alle Hotels dazu bereit. Sie können sich vier oder fünf Sterne aneignen, ohne dass dies von irgendjemandem überprüft wird.
Den Medien war zu entnehmen, dass Russland 2011 in der Beliebtheitsskala der Tourismusziele den 59. Platz belegt hat. Schauen Sie nach wie vor optimistisch auf die Entwicklung der Tourismusbranche in Russland?
Ich kann Ihnen gleich sagen, dass dies ein ziemlich zweifelhaftes Ranking ist. Ich versuche schon lange, eine schlüssige Antwort auf die Frage zu finden, woher diese Ziffer 59 kommen soll. Sie wandelt seit geraumer Zeit durch die russischen Medien, ohne dass eine Quelle genannt würde. Ich bin der Meinung, dass Russland in Sachen Popularität als Tourismusziel weit besser dasteht. Letztes Jahr wurden 25 Millionen internationale Einreisen verzeichnet. Schauen Sie sich die Statistik der Internationalen Tourismusorganisation an. Wie viele Länder können solche Zahlen vorweisen? Glauben Sie mir, wir sind bei den internationalen Ankünften in den Top Ten. Woher dann die Zahl 59? Russland nimmt im Tourismus jetzt schon eine weltweit ernstzunehmende Position ein. Doch das bedeutet natürlich nicht, dass diese Zahlen nicht verbessert werden können. Und dafür müssen jene Probleme aus dem Weg geschafft werden, von den ich schon gesprochen habe: Das unattraktive Image des Landes und das schlechte Preis-Leistungs-Verhältnis.
Bis 2018 will Russland für die Entwicklung des Tourismus 332 Milliarden Rubel (rund 8,5 Mrd. Euro) ausgeben. Wie soll das Geld eingesetzt werden?
Mit der Annahme des neuen föderalen Zielprogramms soll unter anderem ein Re-Branding Russlands auf dem in- und ausländischen Tourismusmarkt einhergehen. Was ist das überhaupt, das Image eines Landes? Das ist vor allem dessen Wahrnehmung im Unterbewusstsein, die zu einem Besuch des Landes motivieren kann oder eben nicht. Unsere Aufgabe liegt darin, die Leute zu einer Reise nach Russland zu motivieren, es hinzubekommen, dass eine Reise nach Russland als „in“ gilt. Russland soll Mode werden! Wir müssen auf die Märkte zugehen, indem wir nicht bloß die Regionen vertreten, sondern eine Marke vermarkten. In Berlin waren von unseren Regionen sowohl erfolgreiche als auch einige weniger geglückte Präsentationen zu sehen.
Eines ist klar: Das Publikum will keine flauen Selbstbeschreibungen der Regionen, sondern konkrete touristische Attraktionen und Dienstleistungen sehen, wie zum Beispiel einen Oldtimer-Zug oder ein Festival der russischen Küche. Deshalb steht jetzt im Vordergrund, dass die russischen Regionen lernen, sich auf dem Markt richtig zu positionieren. Wir müssen wegkommen von den Präsentationen, die bloß das wiederholen, was es im Internet ohnehin zu lesen gibt. Es gilt, potentielle ausländische Touristen mit kreativen Veranstaltungen und Routen anzulocken. Das Tourismusgeschäft muss professioneller betrieben werden.
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