Lauer Markt für gute Küche

Kochschulen werden in Moskau immer beliebter: Für viele ist der Abend am Herd eine originelle Alternative zum Kino- oder Restaurantbesuch, für einige eine ungewöhnliche Art, ein Date zu verbringen, und manche hoffen gar darauf, im Kochkurs ihre große Liebe zu finden. Doch in Moskau lässt sich auch ein wirtschaftliches Phänomen auf die Probe stellen: Die Nachfrage bestimmt eben doch nicht immer das Angebot. Von großer Konkurrenz unter den Anbietern kann keine Rede sein.

Foto: Konstantin Vinogradov, Ekaterina Frolova  

 „Der Markt für Kochkurse hat durch die Finanzkrise stark an Schwung verloren. Ein echter Kochkurs-Hype hat 2003-2005 stattgefunden, als neue Schulen wie Pilze aus dem Boden schossen“, beginnt Pawel Rogoschin, Besitzer der Gastronomieschule Pro.stranstvo, seine Erzählung, „doch die Krise haben die wenigsten Mitbewerber überlebt. Es gibt ein paar Kurse für Hausfrauen, die lernen wollen, wie man Kartoffeln schält und Grütze kocht, dann gibt es die Berufsschulen, doch meine Schule ist die einzige ihrer Art.“

Für seine Schule hat Pawel das klassische Geschäftsmodell etablierter europäischer Kochschulen übernommen, wo die Gerichte in einer Atmosphäre strengster Disziplin und absolutem Respekt gegenüber dem Meister zubereitet werden. „In meinen Kursen gibt es strikte Regeln: Keinerlei Gespräche über andere Themen, die Handys bleiben ausgeschaltet. Wenn der Kunde bei mir eintrifft, bekommt er die Lebensmittel und weicht dann während mindestens vier Stunden nicht vom Herd. Die Leute, die zu mir kommen, wollen hart arbeiten und etwas lernen.“

Doch die strengen Regeln grenzen auch das Zielpublikum ein. Gemäß Rogoschin sind fast alle seine Kunden über 35 und wohlhabend und haben den Wunsch, zuhause exklusive Speisen zuzubereiten. Viele von ihnen haben bereits in westlichen Ländern Kochkurse besucht und sind in Russland auf der Suche nach etwas Vergleichbaren, sowohl bei der Unterrichtsqualität als auch bei den Zutaten. Zu diesen gehören standardmäßig Meeresfrüchte, teure Fleischsorten, komplizierte Saucen und Nachspeisen mit exotischen Ingredienzien.

Doch obwohl Rogoschin im Premiumsegment praktisch allein dasteht, ist seine Geschäftsidee nur mäßig erfolgreich: „Der durchschnittliche Preis für einen Unterricht liegt in Moskau bei 100 bis 200 Euro. Dieser Preis hat sich im inflationsgeplagten Russland seit 2005 nicht verändert! Heute müsste man für eine positive Bilanz etwa 300 Euro verlangen, doch das ist schlicht nicht möglich: Die Kundschaft würde davonlaufen. Es gibt eine psychologische Hürde, über die kein Kunde geht, und die liegt eben bei 200 Euro.“

Um seine Leidenschaft dennoch weiterführen zu können, hat sich Rogoschin auf die Suche nach Sponsoren gemacht. Hersteller und Importeure von Küchenmaschinen oder Geschirr sind gerne bereit, der Schule ihre Produkte gratis zu Verfügung zu stellen. Bedingung ist, dass deren Marke auch prominent sichtbar ist. Auch mit Alkohol- und Fleischimporteuren konnte Rogoschin Verträge abschließen und so den Einzelhandel umgehen. „Für Lebensmittel müssen wir etwa 30 bis 50 Prozent unserer Einnahmen ausgeben, weitere 50 Prozent frisst die Miete. Die einzige Chance, zu überleben, sind deshalb solche Sponsorenverträge.“

Natürlich gilt es auch, möglichst viele Kunden anzuwerben. Gemäß Rogoschin gibt es in seiner Schule bis zu 20 Veranstaltungen pro Monat, darunter nicht nur die Meisterkurse für vier bis fünf Teilnehmer, sondern auch Betriebsfeiern oder Unternehmensausflüge. Manchmal, vor allem in der Vorweihnachtszeit, muss sogar in zwei Schichten gearbeitet werden. Doch meistens, gibt Rogoschin zu, bleibt der Kundenfluss eher überschaubar.

Wo bleibt die Konkurrenz?

 

Die Luxus-Gastronomieschule Pro.stranstvo hat kaum Konkurrenten. Rogoschin selbst kann das nur mit Mühe erklären. Besondere administrative Einstiegshürden sieht er nicht. Die Tätigkeit solcher Schulen wird jener von Restaurants und Cafés gleichgesetzt, weshalb die gleichen Hygiene- und Sicherheitsnormen gelten. Einen möglichen Grund sieht Rogoschin in den Banken: „Einen Kredit für diese Geschäftsidee zu erhalten ist praktisch unmöglich, da die Geschäftsschwankungen zu groß sind - einem aktiven Winter steht in der Regel ein praktisch vollständiger Geschäftsstillstand im Sommer gegenüber. Die Banken sind da eher skeptisch. Wer eine Gastro-Schule eröffnen will, muss schon auf seine eigenen Ersparnisse zählen können.“

Übrigens gibt es noch eine weitere Art, wie man mit dem Wunsch der Moskauer, zu kochen wie in Westeuropa, Geld verdienen kann: Kulinarische Kurse mit bekannten Chefköchen in Restaurants. Indem eine bereits bestehende Infrastruktur verwendet wird, sind die Auslagen und Risiken viel geringer. Schon heute gibt es in Moskau rund 20 Restaurants, in denen Kurse verschiedenster Art angeboten werden. Das Angebot reicht von einem Pelmeni-Kurs (russische Teigtaschen) für 15 Euro bis zu Sushi-Unterricht für Kinder, für den man 150 Euro hinblättern muss.

„Solche Kurse sind ein geschickter Marketing-Handgriff. Die Restaurant-Inhaber sagen den Kunden: Schaut hin, wie sauber es bei uns ist und wie frisch unsere Zutaten sind. Es geht nicht ums unmittelbare Geldverdienen, sondern um Imagepflege“, sagt Tatjana Pototschnikowa, die den Cooking Men Kurs im Restaurant Geschwister Grimm leitet. Doch gerade mit ihrem Projekt beweist sie, dass damit durchaus auch Geld verdient werden kann. Pototschnikowas Kurse gehören heute zu den beliebtesten in Moskau und sind schon lange mehr als nur ein Anhängsel zum Restaurant. „Vor genau einem Jahr hatten wir uns entschlossen, Kurse für Männer anzubieten. Wir dachten nicht im Traum daran, dass das zu einem solchen Riesenerfolg werden könnte. Es war einfach März, die Grillsaison stand vor der Tür, und wir wollten, dass die Herrschaften mal lernten was es heißt, Fleisch richtig auszuwählen und zuzubereiten.“

Der Kurs war ein geglückter PR-Schachzug. Die gute Idee, gepaart mit dem etwas unter dem Durchschnitt liegenden Preis von 50 Euro, hat dem Projekt große Popularität beschert. Gemäß Pototschnikowa bringt die kulinarische Schule selbst einen spürbaren Mehrverdienst, doch auch das Restaurant konnte davon profitieren – seitdem die Kurse angeboten werden, sind die Besucherzahlen des Restaurants stark gestiegen. Auch für die künftigen Monate sieht Pototschnikowa kein Abflauen der Nachfrage: „Ich bin überzeugt, dass unserem Projekt noch lange nicht die Luft ausgehen wird. Noch mindestens ein Jahr sollte die Nachfrage anhalten. Doch auf weitere Prognosen kann ich mich nicht einlassen. Moskau ist eine sehr kapriziöse Stadt, man muss sich hier ständig neu erfinden, um am Ball zu bleiben.“

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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