Hauptsitz des IWF in Washington. Foto: Reuters
In der Pressemitteilung des IWF wird die zusätzliche Mittelzuführung der Mitgliedsstaaten der Organisation als Firewall bezeichnet, das heißt, sie hat die Rolle einer Brandmauer zu spielen, die das Feuer aufhalten soll. Allerdings wurde diese Mauer nicht zu ende gebaut — von den 430 Milliarden US-Dollar zusätzlicher Gelder wurden lediglich 362 Milliarden US-Dollar an die Staaten verteilt. Noch vor kurzem war die Rede davon, den IWF mit einem wesentlich größeren Betrag von bis zu einer Billion US-Dollar auszustatten. Trotzdem wertete die Geschäftsführung des Währungsfonds die Tagung als Erfolg. Sie spricht von einer „ernsthaften Absicht der internationalen Gemeinschaft, die globalen Finanzen zu stabilisieren und die wirtschaftliche Restrukturierung auf sichere Gleise zu setzen“, erklärte Christine Legarde, geschäftsführende Direktorin des IWF.
Den größten Beitrag leisten die Staaten der Eurozone (ungefähr 200 Milliarden
US-Dollar) und Japan (60 Milliarden US-Dollar), deren Wirtschaft sich am Rande
einer Rezession befindet. Die Europäer helfen sich faktisch selbst, in dem sie
die in der Europäischen Union bereits existierenden Antikrisen-Instrumente
erweitern. Alle Mitglieder des IWF können die Hilfe des Fonds in Anspruch
nehmen, der „Patient Nummer 1“ der Weltwirtschaft ist jedoch die Eurozone.
Russland lässt sich Zeit
Der verbleibende Betrag wird im Wesentlichen durch die BRICS-Staaten zu leisten sein. Der russische Finanzminister Anton Sulanow bekräftigte seine frühere Erklärung, dass Russland einen Beitrag von mindestens zehn Milliarden US-Dollar einbringen wird. Aber mit dem Beschluss lässt sich Moskau Zeit. „Wir werden uns mit unseren Kollegen der anderen BRICS-Staaten abstimmen und entsprechend unseren Möglichkeiten einen gemeinsamen Vorschlag unterbreiten“, erklärte Sulanow. Laut seinen Worten werden alle Gespräche bis zum Juni-Gipfel der G20-Sattasführer im mexikanischen Las Cabos abgeschlossen sein. Die Schwellenländer wollen dem Währungsfonds weitere Mittel zuführen.
Zum Teil wird dieses Ziel durch eine Neufestsetzung der Länderquoten für das Kapital des IWF erreicht: Der Anteil der Entwicklungsländer wird zugunsten der neuen, in den letzten Jahrzehnten dynamisch wachsenden Volkswirtschaften verringert. Im Ergebnis erhöht sich der Stimmanteil der BRICS-Staaten von 10,71 % auf 14,18 %, darunter die russische Quote von 2,49 % auf 2,71 %. Aber die Neufestsetzung ist ein langwieriger Prozess. Der Beschluss wurde im Dezember 2010 gefasst, jedoch von der Mehrzahl der IWF-Mitgliedsstaaten bisher noch nicht ratifiziert. Russland hat seine Kollegen aus der Organisation bereits mehrfach zur Eile gedrängt. Die russische Regierung selbst hat jedoch erst letzte Woche die Einbringung des Gesetzesvorschlags zur Änderung der IWF-Quote in das Parlament genehmigt.Geld für Quoten
Im Zusammenhang mit dem Problem der Quoten unterstrich Sulanow gleichzeitig,
dass niemand dem Währungsfonds ein Ultimatum stellen würde. „Die Reform der
Quoten ist eine Sache, die Aufstockung der Fondsreserven eine ganz andere.
Wir haben auf dem heutigen Gipfel das Eine nicht an das Andere
gekoppelt“, erklärte der russische Finanzminister. Doch der Chef-Ökonom der russischen
Investmentgesellschaft Trojka dialog, Jewgenij Gawrilenkow, ist sich sicher,
dass die Widerspenstigkeit Russlands bei der Frage eines zusätzlichen Beitrages
für den IWF eher politische als ökonomische Gründe hat. „Zehn Milliarden
US-Dollar sind für Russland kein sonderlich großer Betrag, und von ernsthaften
Aufwendungen oder Gewinnen kann nicht die Rede sein“, ist der Ökonom sich
sicher. Gawrilenkow unterstreicht, dass es zur Verbesserung der Chancen
Russlands, Mittel aus dem IWF „für den Fall, wenn es uns einmal sehr schlecht
gehen sollte“ zu beziehen, nicht ausreicht, den Beitrag an diese Organisation
zu erhöhen, sondern auch die Position bei der Beschlussfassung gefestigt werden
muss, was eben durch eine Anhebung der Länderquoten erfolgen könnte.
Nachdem der IWF Unterstützung von Schwellenländern erhalten hat, warnte er
diese auch sogleich vor neuen Risiken. Die Situation in der Weltwirtschaft hat
sich etwas verbessert, aber man solle sich nun nicht zurücklehnen. Kurz vor der Tagung wurde eine von Ökonomen des
Währungsfonds durchgeführte Untersuchung
zur Gefahr einer Kreditüberhitzung der Wirtschaft der Schwellenländer
veröffentlicht. Diese Gefahr existiert auch in Russland, in dem das BIP sich in
den letzten zehn Jahren verdoppelt, die Kreditaufnahmen sich dagegen
verdreifacht haben. Sulanow stellte auf der Tagung die Schlussfolgerungen der
IWF-Experten in Frage. Er erinnerte daran, dass Russland bezüglich des
Kreditanteils an der Wirtschaft vielen Staaten hinterher hinke. „Was den
Anstieg des Wirtschaftskreditvolumens betrifft, müsste Russland eigentlich vor
anderen Staaten liegen, die Frage ist nur, um wie viel Prozent“, erklärte der
russische Minister, wobei er anerkannte, dass das Wachstumstempo der
Kreditvergabe sich unter der ständigen Kontrolle von Regulierungsbehörden
befinden müsse.
Der für Russland verantwortliche Weltbank-Direktor Michail Rutkowskij erklärte
während seiner Rede in Washington, dass er bisher keine ernsthaften Risiken in
der vergrößerten Kreditgewährung für Russland und die anderen
Schwellenländer-Märkten sehe, obwohl er auch diesen Staaten empfiehlt, sich von
der Kreditgewährung unabhängige Wachstumsquellen zu suchen. Der Chef-Ökonom des
Unternehmens Finam Management Alexander Osin glaubt, dass die
Befürchtungen des IWF gerechtfertigt sind, wenn die Rede von langfristigen
Tendenzen ist. Vorerst aber stelle diese Kreditblase für Russland keine Gefahr
dar. „Das Wachstum ist gegenwärtig geringer als vor der Krise, aber dafür
qualitativ viel hochwertiger“, ist Osin sich sicher.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei der Tageszeitung Moskowskije Nowosti.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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